Roquefort allein
Ein Einkauf
von Günther Roth
Die
Anzeige an der Haltestelle der Linie nach Mariagrün zeigt 3 Minuten bis zum
Eintreffen der Tram. Meine Tasche in der linken Hand fühlt sich schwer an und
verzieht meine Rückenmuskulatur und ich beschließe heute nach etwas längerer
Pause mein Fitnessprogramm wieder aufzunehmen. Die Tram ist nicht so total
überfüllt wie es um diese Zeit kurz vor Geschäftschluss üblich ist. Die Fahrt
verläuft den vierstöckigen Häusern entlang bis immer mehr Schlagschatten mit
Sonnenstahlen abwechselnd durch das Fenster dringen und sich entspannend auf
mein Gemüt legen. Die Gegend wechselt ins Ländliche und ich bereite meinen
Ausstieg vor. Die Tram hat noch zwei Stationen zur Endstation doch mit mir
steigen die letzten Fahrgäste aus und gehen eilenden Schrittes davon. Gleich
gegenüber der Haltestelle befindet sich ein Lebensmittelladen. Die kleine
Verkäuferin, die häufig anwesend ist, wenn ich einkaufe, taucht den beginnenden
Abend in ein wunderbares Kirschrot. Wir
begrüßen einander, ich gehe zur Milchvitrine nehme eine Halbliterpackung
heraus, umkreise die Feinkost und starre auf das reichhaltige Käse - und
Wurstangebot. Sie ist reizend dachte ich mir, sie einfach nur ansehen und von
ihr ein Lächeln geschenkt bekommen, macht mich glücklich. Wir kommen überein,
dass sie ein größeres Stück von dem frischen Roquefort abschneidet und abwiegt.
Plötzlich aus heiterem Himmel heraus geht in meinen Kopf alles wild
durcheinander. Sind es ihre blonden Haare, die durch ihre Schirmmütze wogend
den Weg in die Freiheit finden und meiner Phantasie freien Lauf lassen? Ist es
nur Chemie, die sich da zu einer Begierde verdichtet? Verschmilzt unser
beidseitiges Verlangen in sehnsüchtig
sich treffenden Blicken? Der Blondschopf tritt in den Hintergrund und ein
anders viel kräftigeres sehnsüchtiges Bild schiebt sich davor. Wir beziehen gerade ein Zimmer in einem der
schönen Thermenhotels der näheren Umgebung. An der Rezeption gibt es keine
delikaten Fragen, vielleicht weil wir für Vater mit eben maturierter Tochter
gehalten werden können. Das Doppelzimmer ist einladend, ein kleines
Blumenbouquet verströmt Blütenduft. Beim Abendessen sind wir zuvorkommend,
reichen einander Brot und Wein. Ich schenke häufig vom samtigen Roten nach und
wir genießen den Abend. Total entspannt und vom Wein in heitere Laune versetzt,
betreten wir zart liebkosend das Doppelzimmer. Mein Blick verweilt einen
Augenblick auf dem schön bezogenen Bett, begrenzt vom Blumenduft und da reißt der Film.
Beinschinken,
Farmerschinken, Schinken in Honig gebeizt, Französischer Emmentaler, Chèvre,
Roquefort, Edamer etliche delikate Wurstsorten, ich schaue über diese
Köstlichkeiten hinweg in ihr jugendliches unberührtes Antlitz. Sie lächelt ein
sanftes, unschuldiges Lächeln. Ich nehme wieder ihren wogenden Blondschopf nach
halluzinatorischer Abwesenheit war. Sehe wie sie das Stück Roquefort in ihre
Hand nimmt. Aus ihrer Hand wirkt es für
mich wie ein Aphrotisiakum und seit
längerem schon trommelt mein Herz ein Stakkato, wenn mich ihr Blick trifft. Ich
kann meinen Wunsch kaum unterdrücken, zu sehr begehre ich sie bereits. Ich muss
es ihr sagen, ohne sie zu verletzen, ihr Herz gewinnen. Aber mir fehlen die
Worte sie kommen mir nicht über meine Lippen, obwohl ich ihr soviel zu sagen
hätte, nehme ich den Roquefort aus ihrer Hand, lächle sie noch einmal
bezaubernd an und gehe zur Kasse.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen