united
p.c Verlag, ISBN 978-3-7103-2308-9
Vier
Novellen als Variationen zum Thema Frau und Mann
Vier
Novellen, mit Vornamen von Frauen übertitelt (bis auf eine) und mit
musikalischen Ausführungsangaben versehen:
Bianca – Allegro assai
Kordula – Allegro cantabile
Madeleine – Andantino espressivo
Ungenannt – Lento ma non troppo
Der
Autor weist selbst darauf hin, dass er sich in der Tradition von Erich Kästner,
Jeremias Gotthelf oder des weitgehend unbekannten Ulrich Bräker stehen sieht.
Das ist bei den ersten Zeilen schon unverkennbar: Ha! da haben wir es mit einem
Schweizer zu tun! Damit ergeben sich schon einmal einige Leseprobleme, die der
Autor aber durchaus selbstkritisch ebenfalls in der Startnovelle anführt (um
nicht davon zu schreiben, dass er sie zugibt). Es ist immer noch etwas leicht
Exotisches in der Schriftsprache unserer westlichen Nachbarn und das hat
durchaus seinen Reiz. Wobei ich gerne zugebe, es ermüdet auch mit der Zeit. So
ist die ständige Vermischung der Wörter „als“ und „wie“ – sagen wir einmal so:
anstrengend und schreit unwillkürlich nach einem Korrektor. Wie überhaupt das
Buch leider unter dem Manko leidet, dass einige Fehler bei der Korrekturarbeit
übersehen wurden (Seite 6 und 263). Ein professionelles Lektorat hätte das
nicht durchgehen lassen. Wobei sich die Frage stellt: verfügt der ausführende
Verlag über eine derartige Institution oder übernimmt dieser die Manuskripte, so
wie sie eingereicht werden. Wir kennen das Problem, das die Autoren mit Kleinverlagen
haben. Eine Betreuung, wie sie im klassischen Verlagswesen früher einmal üblich
war, wird heute kaum mehr wahrgenommen. Wenn, dann nur in den Großverlagen und
selbst bei diesen nur mehr für die Großschriftsteller. Es ist so, als Autor
musst du dich heute um das komplette Lektorat kümmern, und alle anderen
Verlagsaufgaben bis hin zur Vermarktung ebenso übernehmen. Dabei sind gerade
die Kleinverlage nicht bereit (oder auch nicht mehr in der Lage), die Honorare
für die Autoren entsprechend anzupassen. Es ist nichts bekannt, dass
beispielsweise die Provisionen welche die Verlage üblicherweise für die
Vertreter kalkulieren, den Autoren zu gerechnet werden, falls diese den
Vertrieb selbst in die Hand nehmen.
Doch von
den üblichen Beschwerden über den Literaturbetrieb zurück zu den vier Novellen,
beginnen wir mit Bianca.
Eine
ländliche Idylle irgendwo im Alpenvorland tut sich auf. Der biedere Arnold
(Hallo, Schweizer, wir kennen ja den Willhelm Tell „unseres Friedrich Schiller“
da gibt es den Arnold von Melchtal, der sich auflehnt und zum Aufstand bereit
ist), bewirtschaftet seinen Hof, so recht und schlecht gemeinsam mit seinen
Eltern und dem Appenzellerhund Arnim. Ja, es stimmt, auch der Kuhreigen kommt
vor, die Probleme des Hofübernehmers, der vor lauter Tagesarbeit kaum dazu
kommt, sich nach „jemand umzuschauen“. Es ist daher unausweichlich, dass gerade
Arnold einmal bei einer Exkursion der Landjugend seiner Gemeinde mitmacht und
in die Disco verschleppt wird. Und das in der Disco der berühmte Blitz
einschlägt verwundert auch nicht, auch wenn Schweizer Blitze mit Verzögerung
zünden und es Wochen, ja Monate dauert, bis endlich Arnold sich seiner
Angebeteten nähert. Doch zuviel sei nicht verraten, nur soviel: sie stammt aus gänzlich
fernem Milieu: Landschaftsarchitektin, Einstieg in das väterliche
Architekturbüro fix eingeplant, Amerikaaufenthalt dazwischen, Studienabschluss,
alles plangemäß und Arnold siedet inzwischen im Saft seiner Sehnsucht. Biancas
Vater fordert vehement die Mitarbeit der Tochter im Unternehmen, keine Chance
je auf den Hof Arnolds zu leben. Wenn nicht, ja wenn nicht die Liebe wäre. Mehr
sei nicht ausgeplaudert.
Da ist
die Kordula anscheinend aus anderem
Holz geschnitzt. Auch sie, eine Zufallsbekanntschaft, auch sie eine einzige
Tochter eines reichen, erfolgreichen Elternpaares, das für Kordula jede Menge
Pläne hat. Doch diese geht sehr bald ihre eigenen Wege lernt dabei den ehemaligen
Schulfreund näher kennen, doch dabei bleibt es viele Jahre hindurch. Auch wenn
der Schulfreund aus ihm selbst unverständlichen Gründen von Kordula-Conny als
Trauzeuge zu deren Hochzeit eingeladen wird. Auch hier das Aufeinandertreffen
mit dem dominanten Vater, der von dem zufälligen Trauzeugen noch weniger hält
als vom frischen Schwiegersohn. Wie gesagt, lange Jahre vergehen bis zum
nächsten Kontakt. Und da ist das Zusammentreffen so fürchterlich, das Maurus tatsächlich den Boden unter den Füßen
verliert. Kordula-Conny hat sich von der jugendlichen, knusprigen, attraktiven
Frau in eine fette Vettel gewandelt. Alles an ihr wabbelt und schwabbelt, man
sieht direkt auf den folgenden Seiten die Fettgebirge dahin wogen! Maurus
bleibt nur die Erinnerung! Das war „seine“ Conny“? die damals, die so, die ...
Ein Briefwechsel entsteht und nach geraumer Zeit erhält er von Conny eine
Einladung zu einem Geburtstagsfest seiner Kordula-Conny in der Villa der Eltern
hoch über dem Rhein gelegen – also sehr nobel, sehr teuer, sehr reich und
erfolgreich. Und siehe da, Conny-Kordula hat sich in der Zeit des intensiven
Briefwechsels neuerlich verändert. Und das sicher zu ihrem Vorteil. Lassen wir
aber das Lesevergnügen offen, verrate ich nichts, was Conny für Metamorphose durchmachte.
Es kommt, was kommen musste: Das Bett natürlich – nach langer langer
Anlaufzeit, Maurus und Kordula, die Probleme mit dem Vater (natürlich), alles
überwindet die Liebe – wenn man sie lässt!
Mit Madeleine lernen wir eine Frau kennen,
die von sich selber sagte, dass sie nicht NEIN sagen könne. Da hat sie zum
Glück in Thomas einen Wohnungsnachbarn, der die Zuvorkommenheit in Person ist.
Es ist fast übermenschlich, was Thomas alles unternimmt, um seiner Nachbarin
helfen zu können. Seitenweise denkt man als Leser, nun trägt der Autor aber
schon sehr dick auf, da hätte ich schon längst, was weiß ich alles getan,
zumindest den sprichwörtlichen „Hut draufgehaut“. Doch nein, Thomas macht auch
das noch, organisiert auch jenes noch, nimmt Madeleine auf seine
Geschäftsreisen mit (selbstverständlich mit getrennten Zimmern!), hilft ihr aus
der Scheisse heraus. Aber die Liebe, sie hält einfach durch und sogar bei
Schweizern, welche die Korrektheit in Person darstellen, kommt sie zum
Durchbruch. Das nächste Happyend einer Novelle, wobei der Autor korrekt darauf
hinweist, dass er gegen den Mainstream anschreibt und seine Novellen alle mehr
oder weniger „gut ausgehen,“ er schildert sehrt wohl grausliche Vergangenheiten
seiner Protagonisten, aber es gibt keine Leichen. Weder in den Kellern noch in
den diversen Flüssen. Ja, die Novellen haben ein etwa gleiches Grundmaß, sie
weichen vom Schwarz-Weiß Schema insoferne ab, als sie immer einen neuen
Blickwinkel für das Geschehen darstellen.
Die
letzte Novelle verrät den Namen der betreffenden Person, der Frau erst in der
zweiten Zeile des letzten Absatzes. Hier wird eine Frau aus sehr einfachen
Verhältnissen geschildert, die tief unten landet und trotzdem „hochkommt“ auch
wieder mit Hilfe des großen Helfers, diesmal heißt er Joachim, der für die
ungenannte ihr ein und alles darstellt. Man könnte meinen, das ist nun genug an
selbstloser Hilfe, mehr kann man nicht mehr erwarten, mehr darf und kann man
nicht mehr schreiben. Fallweise drängt sich sogar ein bösartiger Vergleich beim
(männlichen) Leser auf: Diese beschriebenen vier Männer sind alle ausnahmslos
so grundgütig, selbstlos und was weiß ich noch alles, dass dies fast wie eine
ganz subtile Art von Machismo klingt. Nein, das ist sicher nicht die Absicht
des Autors, das will ich keinesfalls unterstellen. Aber ein wenig so, dass die
drei letzten Frauen ohne die helfende, liebende, beschützende Hand des Mannes
ganz schön blöd aussehen würden, dieser Eindruck lässt sich nicht so ohne
weiteres verdrängen. Ohne dabei dem Autor unrecht zu tun, aber einmal mit der
Faust auf den Tisch zu hauen, würde auch einem biederen Schweizer gut anstehen.
Martin
Stankowski lebt in St. Margarethen in der Ostschweiz und in St. Florian in
Oberösterreich. Er kommt eigentlich aus der Architektur und fand spät zur
Literatur, auch als Vermittler von Architektur im ländlichen und
zwischen-städtischem Bereich. Erste literarische Arbeiten in Zeitschriften,
Anthologien (auch im „Reibeisen“ des Europa Literaturkreises Kapfenberg) bis zu
einem Roman im Jahre 2010 „Die geöffnete Tür“.
Martin
Stankowski teilt das Schicksal vieler „spätberufener“ Autoren, sie treten in
einem Alter an die Öffentlichkeit, wo die Verlage dankend abwinken und sagen (mehr
oder weniger deutlich oder verklausuliert) „in ihrem Alter lohnt sich eine
Investition in einem Autor als Newcomer nicht mehr“ Damit sind sie auf oftmals
obskure Verlage angewiesen, deren Leistungen in keinem Verhältnis zu den Kosten
und Erwartungen stehen. Das ist wirtschaftlich begreiflich, literarisch aber
ein Verlust von wertvollen Autoren und Werken.
Hans
Bäck
Europa
Literaturkreis KAPFENBERG
Jänner
2016