Isuf Sherifi
„Die weiße Filzkappe“
Gedichte
Waldgut Verlag CH 8500 Frauenfeld
ISBN 978-3-03740-118-7
€ 20,- CHF 24,-
Es traf sich ausgezeichnet, dass ich vor wenigen Tagen von
einer umfassenden Erkundigungsreise in die Länder des Westbalkans zurückkehrte
und vom Waldgut Verlag ein weiterer Gedichtband vorliegt. Diesmal von einem
Poeten, der in Tetovo in Mazedonien geboren und zur albanischen Minderheit
gehörig, Gedichte uns vorstellt. Mein Interesse war dementsprechend groß und
ich begann, wie bei Gedichtbänden üblich, einmal zu blättern. Irgendwo in der
Mitte anfangend, fand ich das Gedicht „Labyrinth“:
Unter der Haut des
Menschen
Als warte da ein
traumhaftes Meer von Tönen –
Ernährt sich der Tag
mit der endlosen Weite des Herzens
Ohne aufhören zu können.
Und damit hatte mich der Dichter bereits gefangen genommen:
ich konnte nicht mehr aufhören! Blätterte nach vor, zurück, blieb hängen, las
nochmals, zum dritten mal, gab den Band eine Lyrikfreundin weiter „was sagst du dazu?“ Wir waren einig, ein Traum
an Gedichten, an Lyrik. Ja, es stimmt, was vor 180 Jahren geschrieben wurde:
Poesie ist die Aufhebung der Beschränkungen des Lebens (Franz Grillparzer).
Damit ist dem Verlag Waldgut wieder ein Werk von durchaus
europäischer Bedeutung gelungen: Die gewohnt sehr gute Machart des Buches
(inklusive Druck und Bindung), das genaue Lektorat, die ausgezeichnete
Übersetzung.
Es ist schwer aus der Fülle, nein es ist keine Fülle, es
sind 54 Gedichte, keines zu viel, keines zu wenig. Eine hervorragende Auswahl, wobei
ich mir denken kann, dass der Dichter einen großen Fundus zur Verfügung hätte –
wäre das eine Hoffnung für später?
Isuf Sherifi, geboren 1967 im damals noch intakten
Jugoslawien (Tetovo, Republik Mazedonien), begann in Priština zu studieren und im Zuge der Nationalitätenwirren,
er schrieb albanisch und setzte sich für die Rechte der Albaner im Kosovo ein,
kam er mit der serbischen Mehrheit in Konflikt wurde verhaftet. Es gelang ihm
die Flucht und seither lebt er in der Schweiz, organisiert schweizer-albanische
Dichtertreffen und eine Lyrikreihe, die jeweils einem Schweizer Autor gewidmet
ist.
Das Buch mit den Gedichten Sharifis ist eine echte Kostbarkeit,
es sind keine „lieblichen“ Gedichte, es sind Auseinandersetzungen mit den
großen Fragen der Immigration (10 Variationen über Heimat), des Lebens mit
einer Vergangenheit, wie im Gedicht „Emotion“ oder der Suche nach
Orientierungen „Gerücht“
Schön, dass es solche Gedichtbände noch gibt!
Hans Bäck
PEN – Trieste
Im Dezember 2016
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