Insa Segebade: „Schwanengesang“
Erzählungen, 2012, IL Verlag Basel ISBN978-3905955-64-4
Der Sohn wird zur Beerdigung seiner Mutter geladen. Diese
hat ihn mit drei Jahren beim Vater „abgegeben“ um ihr Leben an der Seite der
Großen Liebe zu verbringen. Beim Stöbern findet der Sohn alles das, was seine
Mutter aufzeichnete und anscheinend so hinterließ, dass der Sohn es auch
unbedingt finden müsse.
Dass diese Große Liebe natürlich auch nicht diese war,
welche die erfolgreiche und verwöhnte Community-Reporterin Marion Kleve sich
vorstellte, was solls! Es ging letztlich fast allen Frauen so, deren Schicksale
im Bogen um die Reportagen, Aufzeichnungen der Marion Kleve gespannt sind.
Urplötzlich weich werdende Knie, Zittern der Hände, Vibrieren der Haut in allen
Tiefenschichten. Eben das was in der Yellow Press die hunderttausende
Leserinnen beim Friseur unter der Trockenhaube oder beim Warten in der
Arztpraxis zu lesen bekommen und sehnsüchtig erwartet wird. Unbarmherzig
breitet Segebade die Lüge, nein noch schlimmer: die Verlogenheit der Stories
vor uns aus.
Beinhart walzt sie die Klischees aus: Ob es der Glanz der
(natürlich) männlichen Augen, ob es die Flucht vor dem unwiderstehlichem Charme
des Stars ist, der Maler der sie bei einem Polizeieinsatz anlässlich einer Demo
rettet, natürlich in Blankenese (drunter macht sie es nicht), sogar das
nächtliche Prag mit Karlsbrücke und schwankenden Laternen muss Kulisse abgeben.
Wenn da nicht der Unterton wäre. Der Unterton, verdammt, schaut doch einmal
hinter diese Aufbauten. Diese Frauen, die ausnahmslos Kreative sind, da ist
keine Supermarktkassierin oder Regalbetreuerin beim Aldi dabei, wie diese in
der Scheinwelt geschildert werden. Es lohnt sic, zwischen den Zeilen zu lesen:
Da wird der Vorhang zerrissen, da fallen die Hüllen (auch tatsächlich) und der
Mensch/der Star/die Frau stehen in ihrer Nacktheit/Blöße da. Und da schläft die
Erotik ein! Letztlich sind diese Erzählungen ein erschreckendes Bild einer
Gesellschaft, die auf dem ersten Blick als die Schöne, Erfolgreiche, Grandiose,
verwöhnte vorgestellt wird. Dahinter taucht die Scheußlichkeit auf, die Leere,
die Sinnlosigkeit.
Insa Segebade, Mitglied des Europa Literaturkreis
Kapfenberg, lebt an der ostfriesischen Küste mit ihrer Familie, studierte in
Hildesheim Musik, Literatur und kreatives Schreiben, zahlreiche
Veröffentlichungen (Romane: „Der Heiler“, „Das Geheimnis des Boxers“,
„Verstummt“, Erzählungen, Kinder- und Jugendbücher). Sie hat erst vor Kurzem
ihr Werksverzeichnis dem ELKK zur Verfügung gestellt, es würde sich lohnen, in
die literarische Welt von Insa Segebade einzutauchen. Vielleicht können wir sie
persönlich anlässlich der Biennale 2014 kennenlernen!
Hans Bäck
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