Samstag, 30. November 2013

Buchbesprechung



Insa Segebade: „Schwanengesang“
Erzählungen, 2012, IL Verlag Basel ISBN978-3905955-64-4

Der Sohn wird zur Beerdigung seiner Mutter geladen. Diese hat ihn mit drei Jahren beim Vater „abgegeben“ um ihr Leben an der Seite der Großen Liebe zu verbringen. Beim Stöbern findet der Sohn alles das, was seine Mutter aufzeichnete und anscheinend so hinterließ, dass der Sohn es auch unbedingt finden müsse.
Dass diese Große Liebe natürlich auch nicht diese war, welche die erfolgreiche und verwöhnte Community-Reporterin Marion Kleve sich vorstellte, was solls! Es ging letztlich fast allen Frauen so, deren Schicksale im Bogen um die Reportagen, Aufzeichnungen der Marion Kleve gespannt sind. Urplötzlich weich werdende Knie, Zittern der Hände, Vibrieren der Haut in allen Tiefenschichten. Eben das was in der Yellow Press die hunderttausende Leserinnen beim Friseur unter der Trockenhaube oder beim Warten in der Arztpraxis zu lesen bekommen und sehnsüchtig erwartet wird. Unbarmherzig breitet Segebade die Lüge, nein noch schlimmer: die Verlogenheit der Stories vor uns aus.
Beinhart walzt sie die Klischees aus: Ob es der Glanz der (natürlich) männlichen Augen, ob es die Flucht vor dem unwiderstehlichem Charme des Stars ist, der Maler der sie bei einem Polizeieinsatz anlässlich einer Demo rettet, natürlich in Blankenese (drunter macht sie es nicht), sogar das nächtliche Prag mit Karlsbrücke und schwankenden Laternen muss Kulisse abgeben. Wenn da nicht der Unterton wäre. Der Unterton, verdammt, schaut doch einmal hinter diese Aufbauten. Diese Frauen, die ausnahmslos Kreative sind, da ist keine Supermarktkassierin oder Regalbetreuerin beim Aldi dabei, wie diese in der Scheinwelt geschildert werden. Es lohnt sic, zwischen den Zeilen zu lesen: Da wird der Vorhang zerrissen, da fallen die Hüllen (auch tatsächlich) und der Mensch/der Star/die Frau stehen in ihrer Nacktheit/Blöße da. Und da schläft die Erotik ein! Letztlich sind diese Erzählungen ein erschreckendes Bild einer Gesellschaft, die auf dem ersten Blick als die Schöne, Erfolgreiche, Grandiose, verwöhnte vorgestellt wird. Dahinter taucht die Scheußlichkeit auf, die Leere, die Sinnlosigkeit.
Insa Segebade, Mitglied des Europa Literaturkreis Kapfenberg, lebt an der ostfriesischen Küste mit ihrer Familie, studierte in Hildesheim Musik, Literatur und kreatives Schreiben, zahlreiche Veröffentlichungen (Romane: „Der Heiler“, „Das Geheimnis des Boxers“, „Verstummt“, Erzählungen, Kinder- und Jugendbücher). Sie hat erst vor Kurzem ihr Werksverzeichnis dem ELKK zur Verfügung gestellt, es würde sich lohnen, in die literarische Welt von Insa Segebade einzutauchen. Vielleicht können wir sie persönlich anlässlich der Biennale 2014 kennenlernen!



Hans Bäck

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