Sonntag, 13. Juli 2014

Sonntagstext - 13. Juli 2014



Donau-Erinnerungen

von Reinhard Mermi


Wenn ich an meine früheste Kindheit zurückdenke, fällt mir dieser heiße Sommertag im August ein. Die Getreidefelder waren abgeerntet. Staub lag auf dem Feldweg, der oben auf der Kuppe in wolkenlosem Blau sich verlor.
Wir werden von den Landschaften, in die wir hineingeboren werden, geprägt. Von Generation zu Generation werden die Bilder vererbt. Da sind die Kornfelder und Hopfengärten, die auf weichen Hügeln stehen. Gleichzeitig fühle ich die Hitze und die Schwermut über tiefgepflügten Ackerfurchen. Störche stehen in Feuchtwiesen und dahinter, eingerahmt von Auwäldern aus Weiden und Silberpappeln, fließt ostwärts der große Strom.
Kindheitserinnerungen. Geschichten über Tagelöhner mit kargem Lohn; hurende Priester; reiche Hopfenbauern mit schwarzgewichsten Stiefeln; hungernde Frauen und Kinder, die auf abgeernteten Feldern nach Kartoffeln, Runkelrüben, Getreideähren suchen; barfüßige Knechte und Mägde; im Namen Gottes prügelnde Schulschwestern; arme Seelen bei den Kreuzen am Wegesrand, die ihre ewige Ruhe nicht finden können. Und Geschichten über die Liebe, die im Strom ertränkt wurde.
Kindheitserinnerungen. Das das kleine Haus, an die Stadtmauer gelehnt, mit dem Pumpbrunnen im Hausflur, der Kettenhund vor seiner Hundehütte; der Geruch nach frisch gehacktem Holz; der Leiterwagen; der kleine Gemüsegarten, der sich den Abhang zum Stadtgraben hinunterzieht.
Wenn ich auf der Brücke stehe, höre ich die fröhlichen Stimmen, sehe die mutigen Schwimmer im Geiste vor mir, die sich der Donau mit ihren Strudeln und Wirbeln anvertrauen, sich treiben lassen, viele Kilometer weit, um dann am Ufer wieder stromaufwärts zu laufen.

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