Donau-Erinnerungen
von Reinhard Mermi
Wenn ich an meine früheste Kindheit zurückdenke, fällt mir
dieser heiße Sommertag im August ein. Die Getreidefelder waren abgeerntet.
Staub lag auf dem Feldweg, der oben auf der Kuppe in wolkenlosem Blau sich
verlor.
Wir werden von den Landschaften, in die wir hineingeboren
werden, geprägt. Von Generation zu Generation werden die Bilder vererbt. Da
sind die Kornfelder und Hopfengärten, die auf weichen Hügeln stehen.
Gleichzeitig fühle ich die Hitze und die Schwermut über tiefgepflügten
Ackerfurchen. Störche stehen in Feuchtwiesen und dahinter, eingerahmt von
Auwäldern aus Weiden und Silberpappeln, fließt ostwärts der große Strom.
Kindheitserinnerungen. Geschichten über Tagelöhner mit
kargem Lohn; hurende Priester; reiche Hopfenbauern mit schwarzgewichsten
Stiefeln; hungernde Frauen und Kinder, die auf abgeernteten Feldern nach
Kartoffeln, Runkelrüben, Getreideähren suchen; barfüßige Knechte und Mägde; im
Namen Gottes prügelnde Schulschwestern; arme Seelen bei den Kreuzen am
Wegesrand, die ihre ewige Ruhe nicht finden können. Und Geschichten über die
Liebe, die im Strom ertränkt wurde.
Kindheitserinnerungen. Das das kleine Haus, an die
Stadtmauer gelehnt, mit dem Pumpbrunnen im Hausflur, der Kettenhund vor seiner
Hundehütte; der Geruch nach frisch gehacktem Holz; der Leiterwagen; der kleine
Gemüsegarten, der sich den Abhang zum Stadtgraben hinunterzieht.
Wenn ich auf der Brücke stehe, höre ich die fröhlichen
Stimmen, sehe die mutigen Schwimmer im Geiste vor mir, die sich der Donau mit
ihren Strudeln und Wirbeln anvertrauen, sich treiben lassen, viele Kilometer
weit, um dann am Ufer wieder stromaufwärts zu laufen.
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