Sonntag, 14. September 2014

Sonntagstext - 14. September 2014



„Sonnseitig Schattseitig“ 

von Anna Aldria

Verlag Styria Regional ISBN 978-3-7012-0177-8

Erzählungen aus dem Steirischen Himmelreich


Acht Erzählung aus dem Südsteirischen Weinland, dem Steirischen Himmelreich, wie es die Autorin selbst bezeichnet. Zu einem Himmelreich gehört die Musik dazu, schön, dass sich die Autorin für Schubert, Mendelsohn, Haydn ... annimmt und ihre Protagonisten mit Musik dieser Art leben (und sterben) lässt. Ja, sterben. Auch das gehört zum Himmelreich, denn ohne das Sterben, kämen wir ja nie ins Himmelreich, denn das irdische, gar das Südsteirische das die Autorin da schildert ist stellenweise gar nicht himmlisch! Gestorben wird viel, manches Mal auch mit Nachhilfe, gelogen wird, betrogen, ausgegrenzt, verleumdet, alles sehr irdisch! Nein, Gott sei Dank kein weiterer Dorfkrimi, auch wenn es Ansätze dazu gibt. Aber die Autorin (er-)findet eine Mordwaffe, die es bisher noch nicht gab in der Krimigeschichte.
Burghardt Spinnen sagte 2013 in Klagenfurt, er will keine Dorfgeschichten mehr lesen. Gut, wer ist Burghard Spinnen schon, außer (nun auch schon ehemaliger) Vorsitzender der Bachmannpreis-Jury? Aber es hat schon was auf sich, man fürchtet sich ein wenig, hat ja schon einiges in der Art gelesen. Man kennt das Milieu, weiß, der Land-Wirt kommt in die Stadt – dann gar in den Dom zu Graz zu einem Konzert – ist informiert über die Sprachlosigkeit der Menschen „am Land“ die oft auch mit Verschlagenheit gleichgesetzt wird. Man kennt das alles aus unzähligen Erzählungen, Romanen. Und doch etwas ist in diesem acht Erzählungen ein wenig anders. Es sind die Frauen, die stark sind, stark leben, stark sterben. Nein, keine kämpferisch-feministische Literatur, aber den Frauen wird in den Erzählungen der Platz zugeteilt, den sie im Leben auch einnehmen. Wenn die Julia in einer hellen Nacht aus Angst um ihre Blumen den schnarchenden Mann weckt, und der anstelle eines Liebesaktes Begonien, Pelargonien, Fuchsien und anderes Gewächs in den Keller räumen muss, dann bekommt die ländliche Idylle eine besondere Wendung.
Ja, die Frauen in diesen Erzählungen, die sind schon besondere Figuren! So sind die Land-Frauen noch nicht oft dargestellt worden, obwohl es die Klischeedarstellung auch gibt: die Unterdrückte, Ausgebeutete, Ausgegrenzte, ach ja, das gibt es alles auch. Es gibt auch die unvermeidliche Darstellung, dass alles Fremde auf dem Land noch viel fremder gesehen, erlebt wird. Da könnte man meinen, es wäre an der Zeit, dass die Schriftsteller wenigstens damit aufhören und die Landbevölkerung als ausschließlich rassistisch (um nicht Ärgeres zu verwenden) verunglimpfen. Es gibt sie ja schon, auch im Steirischen Himmelreich, die Menschen, die einem Farbigen unbekümmert, unvoreingenommen gegenübertreten. Wahrscheinlich spielt da das persönliche Erleben der Autorin auch mit.
Immerhin verbrachte Anna Aldrian nach dem Studium viele Jahrzehnte in Lateinamerika, der Rezensent sagte einmal zu ihr „in sämtlichen Lateinamerikanischen Diktaturen und immer dann, wenn dort gerade wieder eine solche ausgebrochen war“ Sie kehrte nun vor einigen Jahren mit ihrer Familie aus Südamerika in die Südsteirische Heimat zurück. Daher kann sie natürlich aus erster Hand beurteilen, wie es den „Fremden“, denen, die Anders sind, in unseren Landen geht.

Anna Aldrian hat schon viele Erzählungen in diversen Zeitschriften veröffentlicht (auch im Kapfenberger „Reibeisen“), Lesungen im In- und Ausland, auch im ORF wurden Texte von ihr gesendet. Man sollte neugierig sein, auf jene Arbeiten, die sich mit dem Leben in Lateinamerika befassen. Abgesehen von der Exotik sind diese Werke ganz anders und fern jeder „Dorfgeschichte“ – vielleicht würde die Burghardt Spinnen dann auch lesen.

Es gibt natürlich die „terzenschwangere“ zweite Stimme, die novemberkalte Mondnacht, die schweißtreibende Arbeit, der Komponist Haydn muss halt auch immer wieder der Papa Haydn sein (wie lange und wie oft noch??), die mächtigen Nussbäume im Hof usw. Schauen wir darüber hinweg – und wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.

Wenn jemand bereit ist, den Untertitel „aus dem steirischen Himmelreich“ nicht allzu wörtlich zu nehmen und willens ist, manches auch von der Rückseite des Spiegels anzusehen, und nicht nur die weinselige, schilchertrunkene Fremdenverkehrslandschaft zu erwarten, für denjenigen ist der vorliegende Band – auch wegen der Musik, die in jeder Zeile mittönt – eine Freude. Vielleicht könnte man für einige Stellen das Wort einer fiktiven Enkelin aus der letzten Erzählung der Autorin zurufen: No lessons Granny!

Ein Buch, auch dazu geschaffen, das Steirische Himmelreich erkunden zu wollen. Und das nicht nur wegen des Welschriesling, Sauvignon blanc, Verhackerts und Brettljausn! Vielleicht hat der Leser, der dann zum Wanderer wurde auch einmal das Glück die dunkelhäutige Enkelin der Autorin zu erleben, wie sie auf der Steirischen Harmonika den Untersteirer Landler spielt.


Hans Bäck

1 Kommentar:

  1. Liebe Anna,

    herzlichen Glückwunsch zum neuen Buch und viel Erfolg!
    Reinhard M.

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