„Sonnseitig Schattseitig“
von Anna Aldria
Verlag Styria Regional ISBN 978-3-7012-0177-8
Erzählungen aus dem Steirischen Himmelreich
Acht
Erzählung aus dem Südsteirischen Weinland, dem Steirischen Himmelreich, wie es
die Autorin selbst bezeichnet. Zu einem Himmelreich gehört die Musik dazu,
schön, dass sich die Autorin für Schubert, Mendelsohn, Haydn ... annimmt und
ihre Protagonisten mit Musik dieser Art leben (und sterben) lässt. Ja, sterben.
Auch das gehört zum Himmelreich, denn ohne das Sterben, kämen wir ja nie ins
Himmelreich, denn das irdische, gar das Südsteirische das die Autorin da
schildert ist stellenweise gar nicht himmlisch! Gestorben wird viel, manches
Mal auch mit Nachhilfe, gelogen wird, betrogen, ausgegrenzt, verleumdet, alles
sehr irdisch! Nein, Gott sei Dank kein weiterer Dorfkrimi, auch wenn es Ansätze
dazu gibt. Aber die Autorin (er-)findet eine Mordwaffe, die es bisher noch
nicht gab in der Krimigeschichte.
Burghardt
Spinnen sagte 2013 in Klagenfurt, er will keine Dorfgeschichten mehr lesen.
Gut, wer ist Burghard Spinnen schon, außer (nun auch schon ehemaliger)
Vorsitzender der Bachmannpreis-Jury? Aber es hat schon was auf sich, man
fürchtet sich ein wenig, hat ja schon einiges in der Art gelesen. Man kennt das
Milieu, weiß, der Land-Wirt kommt in die Stadt – dann gar in den Dom zu Graz zu
einem Konzert – ist informiert über die Sprachlosigkeit der Menschen „am Land“
die oft auch mit Verschlagenheit gleichgesetzt wird. Man kennt das alles aus
unzähligen Erzählungen, Romanen. Und doch etwas ist in diesem acht Erzählungen
ein wenig anders. Es sind die Frauen, die stark sind, stark leben, stark
sterben. Nein, keine kämpferisch-feministische Literatur, aber den Frauen wird
in den Erzählungen der Platz zugeteilt, den sie im Leben auch einnehmen. Wenn
die Julia in einer hellen Nacht aus Angst um ihre Blumen den schnarchenden Mann
weckt, und der anstelle eines Liebesaktes Begonien, Pelargonien, Fuchsien und
anderes Gewächs in den Keller räumen muss, dann bekommt die ländliche Idylle
eine besondere Wendung.
Ja,
die Frauen in diesen Erzählungen, die sind schon besondere Figuren! So sind die
Land-Frauen noch nicht oft dargestellt worden, obwohl es die
Klischeedarstellung auch gibt: die Unterdrückte, Ausgebeutete, Ausgegrenzte,
ach ja, das gibt es alles auch. Es gibt auch die unvermeidliche Darstellung,
dass alles Fremde auf dem Land noch viel fremder gesehen, erlebt wird. Da
könnte man meinen, es wäre an der Zeit, dass die Schriftsteller wenigstens
damit aufhören und die Landbevölkerung als ausschließlich rassistisch (um nicht
Ärgeres zu verwenden) verunglimpfen. Es gibt sie ja schon, auch im Steirischen
Himmelreich, die Menschen, die einem Farbigen unbekümmert, unvoreingenommen
gegenübertreten. Wahrscheinlich spielt da das persönliche Erleben der Autorin
auch mit.
Immerhin
verbrachte Anna Aldrian nach dem Studium viele Jahrzehnte in Lateinamerika, der
Rezensent sagte einmal zu ihr „in sämtlichen Lateinamerikanischen Diktaturen
und immer dann, wenn dort gerade wieder eine solche ausgebrochen war“ Sie kehrte
nun vor einigen Jahren mit ihrer Familie aus Südamerika in die Südsteirische
Heimat zurück. Daher kann sie natürlich aus erster Hand beurteilen, wie es den
„Fremden“, denen, die Anders sind, in unseren Landen geht.
Anna
Aldrian hat schon viele Erzählungen in diversen Zeitschriften veröffentlicht
(auch im Kapfenberger „Reibeisen“), Lesungen im In- und Ausland, auch im ORF
wurden Texte von ihr gesendet. Man sollte neugierig sein, auf jene Arbeiten,
die sich mit dem Leben in Lateinamerika befassen. Abgesehen von der Exotik sind
diese Werke ganz anders und fern jeder „Dorfgeschichte“ – vielleicht würde die
Burghardt Spinnen dann auch lesen.
Es
gibt natürlich die „terzenschwangere“ zweite Stimme, die novemberkalte
Mondnacht, die schweißtreibende Arbeit, der Komponist Haydn muss halt auch
immer wieder der Papa Haydn sein (wie lange und wie oft noch??), die mächtigen
Nussbäume im Hof usw. Schauen wir darüber hinweg – und wer ohne Fehler ist, der
werfe den ersten Stein.
Wenn
jemand bereit ist, den Untertitel „aus dem steirischen Himmelreich“ nicht allzu
wörtlich zu nehmen und willens ist, manches auch von der Rückseite des Spiegels
anzusehen, und nicht nur die weinselige, schilchertrunkene
Fremdenverkehrslandschaft zu erwarten, für denjenigen ist der vorliegende Band
– auch wegen der Musik, die in jeder Zeile mittönt – eine Freude. Vielleicht
könnte man für einige Stellen das Wort einer fiktiven Enkelin aus der letzten
Erzählung der Autorin zurufen: No lessons Granny!
Ein
Buch, auch dazu geschaffen, das Steirische Himmelreich erkunden zu wollen. Und
das nicht nur wegen des Welschriesling, Sauvignon blanc, Verhackerts und
Brettljausn! Vielleicht hat der Leser, der dann zum Wanderer wurde auch einmal
das Glück die dunkelhäutige Enkelin der Autorin zu erleben, wie sie auf der
Steirischen Harmonika den Untersteirer Landler spielt.
Hans
Bäck
Liebe Anna,
AntwortenLöschenherzlichen Glückwunsch zum neuen Buch und viel Erfolg!
Reinhard M.