Man sollte ruhig einmal darüber nachdenken!
Ich kann mir nicht vorstellen, zu einem Zeltfest zu gehen,
um dort den Auftritt eines Streichquartettes mit einem Werk von Haydn zu hören.
Ebenso wenig, wie ich dort einen alten Jodler oder einen schönen Boarischen
erwarte. Für die Zeltfeste gibt es eigene Musik und Musikmacher – um sie einmal
so zu bezeichnen. Diese haben für derartige Veranstaltungen ihre Berechtigung
und Notwendigkeit – soweit man Zeltfeste und dergleichen als notwendig
bezeichnen mag. Genau so wenig erwarte ich mir im Goldenen Saal des
Musikvereins ein Konzert eines Alpenrockers. Was also für die Musik sich
eingebürgert hat, eben gewisse Veranstaltungen mit der dazupassenden
Musikgruppe und eben der Musik, so hat die Literatur da noch ein wenig eine
Anpassungsschwierigkeiten.
Zum Vergleich: Wer die „Neue Post“ kauft oder als
Lesezirkelexemplar liest, wird kaum erwarten dort ein Gedicht von Trakl
abgedruckt zu finden. Wer die normale Wochentagsausgabe einer x-beliebigen
Tageszeitung hernimmt, wird auch nicht eine weitere Folge eines Romans in
Fortsetzungen von Michael Köhlmeier erwarten. Es gibt sie also, die Selektion
der Texte nach den Medien, für die sie eventuell gedacht wären. Nur sind sie
das auch von den Autoren so? Erwarten wir – die Autorinnen und Autoren – nicht
immer und voll Hoffnung, dass gerade der neue Text, der soeben fertig wurde,
alles schlägt und der literarische Text
schlechthin ist?
Was ist den schwieriger, einen so genannten „hochwertigen“
Text zu verfassen (wer ist eigentlich befugt, das zu beurteilen?) oder einen
angeblich „trivialen“ Text? Wie sagte Peter Turrini anlässlich eines der vielen
Interviews zu seinem 70. Geburtstag? Achtzig, wenn nicht neunzig Prozent einer
literarischen Arbeit sind Handwerksarbeit. Das beginnt bei der Themenauswahl,
der Recherche, dem Plot zu erstellen, den Handlungsrahmen zu skizzieren bis
dahin ist noch keine Zeile des neuen Textes entstanden. Und genauso geht es
weiter: jeder Text, ja jede Zeile eines neues Beitrages ist zu überprüfen, zu überarbeiten
und nochmals zu überarbeiten. Es beginnt die Suche nach dem perfekten Satz,
wenn man den gefunden hat, beginnt die Suche nach den perfekten Wörtern. Dabei
ist es vollkommen egal, ob jetzt an ein Gedicht in Hochsprache oder in Mundart,
eine Erzählung, eine Novelle oder eine so genannte leichte Kost entstehen soll.
Bekannt ist ja der Grundsatz aller Schaffenden, dass gerade die leichten,
eventuell sogar humorvollen Werke, jene sind, die am Schwierigsten in der
Entstehung sind.
Hat nicht die Autorin eines vielleicht in die Kategorie
Trivialliteratur fallenden Textes das gleiche Problem wie jene Dame, die mit
ihrem Herzblut das Fallen der Blätter (rot und gelb gefärbt natürlich) im
Herbst beschreibt, ohne daran zu denken, dass genau dieses Phänomen nicht erst
seit der Romantik die deutschen Dichter beschäftigt hatte? Was soll denn da
Neues werden? Da ist mir doch lieber ein harmloser, aber gut gemachter Text
über eine Frau, die sich freut darauf vom Friseur verwöhnt zu werden, es
genießt, wie seine Hände zärtlich sie berühren, sich darauf freut, dann endlich
nach Stunden den Spiegel vorgehalten zu bekommen und glücklich ist. So lange,
bis sie zu Hause sich das Werk ansieht und selber die Reparaturhand anlegt.
Wenn es dieser Autorin noch dazu gelingt, alle zwei Wochen so einen Text
abzuliefern, der von der Redaktion angenommen und dann genau von jenen Damen
beim Friseur unter der Trockenhaube gelesen wird, so hat auch diese Arbeit
ihren Zweck erfüllt. Siehe dazu weiter oben, die Musik im Zeltfest.
Ich finde, bitte mir nicht böse zu sein, so einen Text
heiter, locker und leicht zu lesen, wesentlich wichtiger als die 893.
Darstellung von fallenden Blättern, egal ob färbig oder nicht. So sehr wir uns
jedes Jahr über die herbstliche Farbenpracht freuen – ich denke gerade jetzt an
die verfärbten Buchen im Talschluss des Buchbergtales, beim Bodenbauer. Die
rotbrennenden Buchen, der tiefblaue Himmel, der
leuchtende erste Schnee am Zinken und Buchbergkogel – wer wollte da
nicht ein Gedicht schreiben?
Dann denke der/die
daran, wie es
Christian Friedrich
Hebbel um 1860 dichtete
Dies ist ein
Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still,
als atmete man kaum,
Und dennoch fallen
raschelnd, fern und nah,
Die schönsten
Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
Lasst mich noch ein
um 100 Jahre älteres Herbstgedicht zitieren:
Barthold
Hinrich Brockes (1680-1747)
Gedanken bey dem Fall der Blätter im Herbst
In einem angenehmen
Herbst, bey ganz entwölktem heiterm Wetter,
Indem ich im
verdünnten Schatten, bald Blätter-loser Bäume, geh',
Und des so schön
gefärbten Laubes annoch vorhandnen Rest beseh';
Befällt mich schnell
ein sanfter Regen, von selbst herabgesunkner Blätter.
Ein reges Schweben
füllt die Luft. Es zirkelt, schwärmt' und drehte sich
Ihr bunt, sanft
abwärts sinkend Heer; doch selten im geraden Strich.
Es schien die Luft,
sich zu bemühn, den Schmuck, der sie bisher gezieret,
So lang es möglich,
zu behalten, und hindert' ihren schnellen Fall.
Hiedurch ward ihre
leichte Last, im weiten Luft-Kreis überall,
In kleinen
Zirkelchen bewegt, in sanften Wirbeln umgeführet,
Bevor ein jedes
seinen Zweck, und seiner Mutter Schooß, berühret;
Um sie, bevor sie
aufgelöst, und sich dem Sichtlichen entrücken,
Mit Decken, die weit
schöner noch, als persianische, zu schmücken.
(Auszug)
Abschließend
ein letztes Gedicht, natürlich von
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Die Blätter fallen,
fallen wie von weit,
als welkten in den
Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit
verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die
schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand
da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. |
Wie
gesagt, da müsste einer/einem schon gewaltig was Neues einfallen um das zu
erreichen. Dabei sind das nur drei Gedicht aus der Unzahl jener die seit
Jahrhunderten zum Herbst geschrieben wurden.
Doch,
ich schweife ab. Ich will zurück zur Trivialliteratur, nein, eigentlich nicht direkt. Ich möchte nur
ein wenig die Lanze dafür brechen. Vor allem im Vergleich mit jenen Texten, die
oftmals eingereicht werden und denen jede Professionalität fehlt. Die
„dichterische Inspiration“ so es überhaupt eine gibt und sie zu bemerken
ist, diese allein macht noch keinen
„literarisch hochwertigen Text“
Es
gibt den Ausdruck des Kunsthandwerks, warum sollte das nicht auch für die
Literatur gelten? Und ich bin geneigt, diesen Begriff bei der viel geschmähten
Trivialliteratur zu verwenden. Warum eigentlich so viel geschmäht? Warum wird
kaum einmal zugegeben, dass die Herren Autoren in ihrer frühesten Jugend
natürlich Karl May und die Damen Schriftstellerinnen Trotzkopf gelesen haben.
Trivialliteratur in ihrer „schönsten“ Ausformung und wer leugnet, mit Kara Ben
Nemsi oder Old Shatterhand nicht mit gezittert zu haben, nun ja, Selig die nicht sehen und doch glauben!
Also,
lassen wir Gebrauchsliteratur als solche stehen und gelten und versuchen wir
bei der „anspruchsvollen Literatur“ - wenn wir diese schreiben wollen – jene
Professionalität anzuwenden, welche die Verfasser der Leichten Literatur auch
nicht aus dem Handgelenk beuteln!
Hans
Bäck
Zitat: "Und genauso geht es weiter: jeder Text, ja jede Zeile eines neues Beitrages ist zu überprüfen, zu überarbeiten und nochmals zu überarbeiten. Es beginnt die Suche nach dem perfekten Satz, wenn man den gefunden hat, beginnt die Suche nach den perfekten Wörtern. Dabei ist es vollkommen egal, ob jetzt an ein Gedicht in Hochsprache oder in Mundart, eine Erzählung, eine Novelle oder eine so genannte leichte Kost entstehen soll. Bekannt ist ja der Grundsatz aller Schaffenden, dass gerade die leichten, eventuell sogar humorvollen Werke, jene sind, die am Schwierigsten in der Entstehung sind."
AntwortenLöschenLieber Hans,
Du hast bei Deinen Ausführungen dabei das Medium "Internet" und speziell des "Blogs" nicht erwähnt. Es handelt sich dabei um ein schnelllebiges Medium, bei dem bezüglich der Qualität der Texte Abstriche gemacht werden (können). Das ist sicher nicht zufriedenstellend, aber es ist so. Speziell für die Blogs wird also nicht jeder Beitrag hohe Literatur sein. Es sind Moment-aufnahmen die uns da begegnen, Momentaufnahmen teilweise auch von "unfertigen" bis hin zu "weniger gelungenen" Texten. Es wäre ureigenste Sache des Lesers eines Literaturblogs, zu den vorgestellten Texten seine Meinung kundzutun und auch auf Schwächen hinzuweisen.
Zu unserem Blog ist zu sagen, dass praktisch keine Rückmeldungen kommen - außer Deinen Beiträgen. Wie heißt es doch: "Der Künster lebt vom Applaus" - nur wenn da keine Rückmeldung kommt, dann wird er irgendwann seine Bemühungen einstellen. Dies gilt auch für diesen Blog.
Reinhard