Lohnt es sich?
Lohnt es sich, wenn sich etwa fünfzig Autoren zwei Tage lang
mit Arno Schmidt beschäftigen? Dazu eine Anreise auf sich nehmen, die durch
wildgewordene streikende Eisenbahner
nach Möglichkeit verhindert werden sollte? Und allen anderem Unbill zu
Trotz in Ismaning in einem Tagungshotel der Telekom auftauchten! Fragen wir
daher:
Lohnte es sich?
Einige der Angemeldeten kamen überhaupt nicht, andere um
Stunden zu spät. Aber es gab dann doch 2 Tage lang Arno Schmidt. Zettels Traum
und anderes.
Versuche, Arno Schmidt zu retten? Oder zu glorifizieren?
Oder auch nur ihm einen Platz zuzuweisen?
Ich nehme einmal an, das Letztere war die Absicht des
Landesverbandes Bayern des FDA bei der diesjährigen Arbeitstagung. Immerhin, es
galt des 100. Geburtstags von Arno Schmidt (A.S.) zu gedenken. Ein wenig frage
ich mich schon, warum gerade den? Und nicht den Josef Roth zum Beispiel, der
auch hundert geworden wäre. Oder einiger anderer Dichter, etwa einen Trakl
möglicherweise. Auch einer, der die Sprache bis an die Ränder ausgelotet hatte.
Oder, wenn es schon ein Deutscher sein musste, warum nicht Enzensberger oder Kunert zu deren 85er?
Lassen wir das Ergründen von Veranstalterideen.
Es ging also um A. S. Es ging darum, dass viele der
anwesenden Autoren eingestanden hatten, den Namen wohl gehört zu haben, aber
nix von ihm gelesen. Gut, also, eine Hinführung zu dem Dichter(?)
Schriftsteller (?), ein wenig herumprobieren an eigenen Texten und versuchen,
denen ein wenig A. S. Touch zu geben. Lustig anzuhören, wie Autoren, die sich
mit Jahreszeitgedichten normalerweise beschäftigen nun in A. S. üben. Doch,
doch es wurde was draus. Es ist ja nicht so, dass die Autoren im FDA nicht mit
dem Werkstoff Sprache umgehen könnten. Ein wenig herummodeln und formen und schon
kam man drauf, Hexerei ist das ja keine, was der da machte. Mit seinen 3000
Zetteln und seiner pseudophonetischen Schreibweise. Spaß hatten einige sogar
daran.
Als österreichischer Teilnehmer hat man natürlich auch
erheiternde Erlebnisse: Im Land des Alles Organisierten gibt es natürlich einen
eigenen Verein der sich „Gesellschaft der Arno Schmidt Leser“ nennt. Das nenne
ich perfektes Styling einer Literaturgeschichte. Die Leser Arno Schmidts sind
organisiert mit Vorstand (oder Präsident), Vize, Kassier, Schriftführer,
Schiedsgericht (nehme ich an), Kassenprüfer usw. Perfekt oder wie der Autor
wahrscheinlich geschrieben hätte: „Bär:fekkkt“ Und wahrscheinlich (und
hoffentlich) von der Öffentlichen Hand unterstützt, denn in so einer
Gesellschaft braucht es akademisch ausgebildete Menschen, welche die Leser A.
S. durch den Dschungel begleiten, neue Erkenntnisse erarbeiten, diese
publizieren usw. Schön, dass es das noch gibt im Zeitalter von Budgetkürzungen
und Einsparungen.
Soweit einmal, das was war.
Nochmals hat es sich gelohnt?
Ich frage ganz bescheiden nach: War es notwendig A. S.
soviel Aufmerksamkeit zuzuwenden? Angesichts vieler anderer Dichter von denen
Jubiläumstage anstanden? Er war doch bei Gott nicht der Erste, der mit
Sprachzertrümmerung von sich reden machte, auch nicht der Einzige. Auch nicht
der Aktuellste und Nachhaltigste, er war sicher derjenige, der es schaffte,
dass über ihn am meisten geredet wird.
Sagen wir so: Arno Schmidt ist in aller Germanistenmunde,
aber kein Leser kennt ihn. Und dabei wird es wohl auch nächsten 100 Jahre noch
bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, A. S. als Schriftsteller auf meinem
Nachttisch liegen haben und voll Spannung darauf zu warten, endlich weiter zu
lesen. Wie sagte ein bei der Tagung anwesender Autor so schön: Als in der
ehemaligen DDR sozialisierter Dichter und evang. Pfarrer ging es ihm immer um
möglichste Klarheit in seinem Wort. Als auch autoritätsgehorsam erzogen,
fürchte er sich aber davor, dass Arno Schmidt nun das absolute Vorbild der
Schreibenden werden möge.
Lassen wir die Kirchen in den Dörfern, A. S. kann ein
Abenteuer sein, auch für einen Autor im 21. Jahrhundert, aber um Himmelswillen
sollen nach dieser Tagung keine Epigonen vermehrt auftreten. Nachahmer mit
unvollkommenen Mitteln gibt es genug, aber experimentieren mit der Sprache, das
sollen viel mehr Autoren als bisher – und das gilt ganz besonders für die
Mitglieder des FDA (und nicht nur in Bayern)
Hans Bäck
FDA-Landesverband Schleswig-Holstein Hamburg
Mitglied des PEN-Trieste
Sowie des Europa Literaturkreises Kapfenberg,
des Österr. Schriftstellerverbandes usw.
Lieber Hans,
AntwortenLöschenich war zwar nicht dabei, aber es gäbe - ganz allgemein - da noch viele andere Autoren, mit denen man sich beschäftigen müsste. So gesehen hast Du völlig Recht. Eine Kritik zur Veranstaltung des FDA steht mir aber nicht zu.