Sonntag, 16. November 2014

Sonntagstext - 16. November 2014



Lohnt es sich?


Lohnt es sich, wenn sich etwa fünfzig Autoren zwei Tage lang mit Arno Schmidt beschäftigen? Dazu eine Anreise auf sich nehmen, die durch wildgewordene streikende Eisenbahner  nach Möglichkeit verhindert werden sollte? Und allen anderem Unbill zu Trotz in Ismaning in einem Tagungshotel der Telekom auftauchten! Fragen wir daher:
Lohnte es sich?
Einige der Angemeldeten kamen überhaupt nicht, andere um Stunden zu spät. Aber es gab dann doch 2 Tage lang Arno Schmidt. Zettels Traum und anderes.
Versuche, Arno Schmidt zu retten? Oder zu glorifizieren? Oder auch nur ihm einen Platz zuzuweisen?
Ich nehme einmal an, das Letztere war die Absicht des Landesverbandes Bayern des FDA bei der diesjährigen Arbeitstagung. Immerhin, es galt des 100. Geburtstags von Arno Schmidt (A.S.) zu gedenken. Ein wenig frage ich mich schon, warum gerade den? Und nicht den Josef Roth zum Beispiel, der auch hundert geworden wäre. Oder einiger anderer Dichter, etwa einen Trakl möglicherweise. Auch einer, der die Sprache bis an die Ränder ausgelotet hatte. Oder, wenn es schon ein Deutscher sein musste, warum  nicht Enzensberger oder Kunert zu deren 85er?
Lassen wir das Ergründen von Veranstalterideen.
Es ging also um A. S. Es ging darum, dass viele der anwesenden Autoren eingestanden hatten, den Namen wohl gehört zu haben, aber nix von ihm gelesen. Gut, also, eine Hinführung zu dem Dichter(?) Schriftsteller (?), ein wenig herumprobieren an eigenen Texten und versuchen, denen ein wenig A. S. Touch zu geben. Lustig anzuhören, wie Autoren, die sich mit Jahreszeitgedichten normalerweise beschäftigen nun in A. S. üben. Doch, doch es wurde was draus. Es ist ja nicht so, dass die Autoren im FDA nicht mit dem Werkstoff Sprache umgehen könnten. Ein wenig herummodeln und formen und schon kam man drauf, Hexerei ist das ja keine, was der da machte. Mit seinen 3000 Zetteln und seiner pseudophonetischen Schreibweise. Spaß hatten einige sogar daran.
Als österreichischer Teilnehmer hat man natürlich auch erheiternde Erlebnisse: Im Land des Alles Organisierten gibt es natürlich einen eigenen Verein der sich „Gesellschaft der Arno Schmidt Leser“ nennt. Das nenne ich perfektes Styling einer Literaturgeschichte. Die Leser Arno Schmidts sind organisiert mit Vorstand (oder Präsident), Vize, Kassier, Schriftführer, Schiedsgericht (nehme ich an), Kassenprüfer usw. Perfekt oder wie der Autor wahrscheinlich geschrieben hätte: „Bär:fekkkt“ Und wahrscheinlich (und hoffentlich) von der Öffentlichen Hand unterstützt, denn in so einer Gesellschaft braucht es akademisch ausgebildete Menschen, welche die Leser A. S. durch den Dschungel begleiten, neue Erkenntnisse erarbeiten, diese publizieren usw. Schön, dass es das noch gibt im Zeitalter von Budgetkürzungen und Einsparungen.
Soweit einmal, das was war.
Nochmals hat es sich gelohnt?
Ich frage ganz bescheiden nach: War es notwendig A. S. soviel Aufmerksamkeit zuzuwenden? Angesichts vieler anderer Dichter von denen Jubiläumstage anstanden? Er war doch bei Gott nicht der Erste, der mit Sprachzertrümmerung von sich reden machte, auch nicht der Einzige. Auch nicht der Aktuellste und Nachhaltigste, er war sicher derjenige, der es schaffte, dass über ihn am meisten geredet wird.
Sagen wir so: Arno Schmidt ist in aller Germanistenmunde, aber kein Leser kennt ihn. Und dabei wird es wohl auch nächsten 100 Jahre noch bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, A. S. als Schriftsteller auf meinem Nachttisch liegen haben und voll Spannung darauf zu warten, endlich weiter zu lesen. Wie sagte ein bei der Tagung anwesender Autor so schön: Als in der ehemaligen DDR sozialisierter Dichter und evang. Pfarrer ging es ihm immer um möglichste Klarheit in seinem Wort. Als auch autoritätsgehorsam erzogen, fürchte er sich aber davor, dass Arno Schmidt nun das absolute Vorbild der Schreibenden werden möge.
Lassen wir die Kirchen in den Dörfern, A. S. kann ein Abenteuer sein, auch für einen Autor im 21. Jahrhundert, aber um Himmelswillen sollen nach dieser Tagung keine Epigonen vermehrt auftreten. Nachahmer mit unvollkommenen Mitteln gibt es genug, aber experimentieren mit der Sprache, das sollen viel mehr Autoren als bisher – und das gilt ganz besonders für die Mitglieder des FDA (und nicht nur in Bayern)

Hans Bäck
FDA-Landesverband Schleswig-Holstein Hamburg
Mitglied des PEN-Trieste
Sowie des Europa Literaturkreises Kapfenberg,
des Österr. Schriftstellerverbandes usw.



1 Kommentar:

  1. Lieber Hans,
    ich war zwar nicht dabei, aber es gäbe - ganz allgemein - da noch viele andere Autoren, mit denen man sich beschäftigen müsste. So gesehen hast Du völlig Recht. Eine Kritik zur Veranstaltung des FDA steht mir aber nicht zu.

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