Sonntag, 7. Juli 2013

Bäcks Nachlese - 2. Quartal 2013






Liebe Literaturinteressierte!

Wenn ich diese Zeilen schreibe, steht der Bachmannpreis 2013 gerade in den Startlöchern. Die Ergebnisse werde ich daher in einer sep. Aussendung kommentieren. Nur soviel einmal vorab: Die Nachricht, dass der ORF aussteigen möchte, erreichte mich weitab im fernen Süditalien, aber sofort nach meiner Rückkehr habe ich die Protestnote des Gerhard Ruiss der IG Autoren unterschrieben. Es wäre ja wirklich ein Witz, aber würde zur österreichschen Befindlichkeit passen, wenn die Durchführung des Bachmannpreises geopfert werden müsste. Nur weil mit der Olympiade und der Fußball-WM Fernseh-Großereignisse anstehen, die dem armen ORF soviel Geld kosten! Na ja, das passt ja gut zu meiner ständigen Jammerei, das Match Kultur gegen Sport ist in der Öffentlichkeit und damit in der Förderung alles andere als ein Bewerb mit gleichen Voraussetzungen. Es ist nur anzunehmen und zu hoffen, dass der Herr ORF-Generaldirektor heuer in Klagenfurt mit oder weniger mit stolzgeschwellter Brust bekannt gibt, dass der Bachmannpreis in den nächsten Jahre doch noch gerettet sei. Der Preis dafür? Lieber nicht nachdenken! Denn das ORF-Orchester, eines der bedeutendsten Orchester für Neue Musik steht auf dem Sparplan. Fällt dem Generaldirektor nicht ein, vielleicht, die blöden und öden Doppelkommentatoren bei den Großereignissen im Schisport beispielsweise einzusparen. Warum müssen ausrangierte ehemalige „Spitzen“sportler bei den Ereignissen ihren Senf dazugeben? Diese Freunde habe jahrelang mit den Werbe- und Preisgeldern ordentlich Kohle gemacht, mit einem Steuersatz von dem Normalsterbliche in Österreich nur träumen können (25% Höchststeuersatz für deren Einkünfte!), müssen sie daher vom gebührenfinanzierten Rundfunk noch weiter unterstützt werden?

Ja, der Hans Bäck jammert immer und haut auf die Sportler hin! Es geht aber auch anders, liebe Freunde. Da hat der neue französische Präsident die Reichensteuer mit 75% eingeführt (eh nicht lange, musste sie bald wieder zurück nehmen), aber das Bemerkenswerte daran, diese Reglung galt auch für die Groß-Fußballkubs in Frankreich! Das ist schon einmal ein Beispiel! Wenn ich mir das in Österreich anschaue – Förderungen bis zur Insolvenz der Vereine, bei jeder dritten Gemeinderatssitzung in unserer Stadt steht wieder eine „einmalige Förderung der Kapfenberger Sportvereinigung – Sektion Fußball“ am Programm. Einmal ist es ein Tribünenbau, dann eine Fußbodenheizung im VIP-Bereich, dann ein Tribünenrückbau (weil sie abgestiegen sind), usw, alles einmalig!

Doch zu anderen Dingen: Da gab es im Hörfunk einmal eine Sendung über Billy Wilder. Der erzählte davon dass er eines Nachts einen tollen Traum hatte, wach wurde und sich dachte, den muss ich mir aufschreiben, das wird das Thema für meinen nächsten Film! Am Morgen las er dann den Zettel und machte sich auf die Suche nach einem entsprechenden Drehbuch. Auf dem Zettel stand „Boy meets Girl“ – so einfach können die Einfälle sein.

Arno Geiger sagte vor kurzem: Sprache soll nicht falsch sein, sondern präzise und Präzision gehört zu den acht Dingen eines Schriftstellers!
Es ist etwas Biederes in die Literatur eingezogen, kommt das daher, dass immer mehr Schauspieler, Moderatoren, Buchhändler, Verlegen glauben es besser zu können? Oder sind die Texte der div. Schreibwerkstattabsolventen handwerklich so gut geworden, dass sie austauschbar sind? Scheren sich nicht mehr um die Sprache sondern nur um die Markttauglichkeit? Margit Schreiner sagte in der Literatur brauchen wir keine politische Korrektheit und Marktorientierung, sondern Leute die schreiben, was sie sagen wollen, selbst wenn sie das nicht dürfen! Danke Fr. Schreiner!

Daher die Überlegungen den „Mohr im Hemd“ abzuschaffen? Nun ja, als Kalorienbombe gehörte er eigentlich eh schon lange eliminiert! Aber seien wir ehrlich: die Versuche Entgleisungen, Rassismus usw. sprachlich zu steuern hat etwas hilfloses an sich, es kann doch die Probleme nicht aus der Weltschaffen, wenn ich nur mehr vom Farbigen oder Afrikaner oder Roma rede aber innerlich der gleich Saupartl geblieben bin! Wir schaffen damit neue Wortungetüme und geben den Übelmeinenden neue Angriffe in die Hand um sich darüber herzumachen und die alten Ressentiments unter neuem Gewand anzubringen.

Der Feminismus war ja eine notwendige Strömung und doch hat er in vielen Belangen geirrt. Ist es nicht egal, ob nun von Studentinnen und Studenten gesprochen wird, es aber nur eine einzige Rektorin gibt? Und ob das der Kassenfrau im Supermarkt das Leben leichter macht?

Der Aktion die Spitze aufgesetzt hat aber einer Zeitungsnotiz, dass gerade das Binnen I also, die StudentInnen, die SchülerInnen, die KollegInnen, die SchriftstellerInnen usw. verpönt seien. Man solle sich doch dieses Binnen I einmal genau anschauen, es ist doch ein eindeutiges Phallussymbol! Hurra! Jetzt haben wir es! Die Welt steht noch lange! Wenn solche Blödheiten behauptet werden dürfen, kann die Uhr noch nicht abgelaufen sein! Wenn das Abendland zu solchen intellektuellen Glanzleistungen  fähig ist, dann dürfen wir noch viele geistige Errungenschaften erwarten!

Etwas noch, die neueste Masche, den Menschen zu helfen: Essen zu Gunsten der Obdachlosen! Da kommen die richtigen, die wahren Werte zum Vorschein! Nicht mehr die Gutmenschen, die mit ihrer grauslichen Gutmenschlichkeit den Bestmeinenden auch noch die Laune verderben. So kommen die Schirmherren (natürlich auch die Schirmfrauen) derartiger Aktionen endlich zur Geltung! Gutes tun mit Genuss! Was bringt es, wenn wir über dem Leid der Welt in Gram und Schmerz zerfließen? Elend ist die Chance für eigenen Lustgewinn!
Am 27. April in Wien war es soweit: Hineinhauen in die Stelzen, Schweinsbraten, Kalbsnierndln, die Sacherorten, Cremeschnitten, Austern schlürfen und Kaviar löffeln, Champagner trinken auf Menschenliebe komm raus. Was wohltut, das ist wohlgetan!
Lassest uns essen für die Hungrigen, Saufen für die Durstigen, reich sein für die Armen, es ist ja schließlich zu ihren Gunsten!

Kommen wir zur Literatur im engeren Sinne, wobei ja diese oben erwähnten Schmankerl ja durchaus Anregungen für Literatur sein könnten – siehe Billy Wilder. Oder, wie Michael Scharang schrieb: „Um zu urteilen, bedarf es einer klaren Sprache ohne Lüge und Phrase und nicht einer „politisch korrekten“ Sprache. Die ist keine Errungenschaft, sondern ein Mindeststandard. Die Debatte über die politisch korrekte Sprache führt von der Sache so weit weg, dass man das Ergebnis durchaus als erstunken und erlogen bezeichnen kann.“ Danke Kollege Scharang!

Reibeisen Nr. 30 ist erschienen und wurde auch bereits fleißig an die Interessenten (und hoffentlich damit an die Leser gebracht. Das Echo war ausschließlich positiv: regional, national und international. Sepp Grassmugg hatte ein wichtiges Gespräch mit unserem neuen/alten Bürgermeister, vielleicht werden die Zusagen eingehalten und wir bekommen im kommenden Jahr tatsächlich mehr Zuschüsse für unsere Arbeit.
Noch stehen einige Präsentationen bevor: 27.September in Graz, 12. Oktober in Piran (Slowenien), 31. Oktober in Berlin und 4. November in Kiel. Fein, die Zusammenarbeit mit unserer deutschen Redaktion trägt Früchte, vielleicht klappt es auch noch mit einer Präsentation in unserer Partnerstadt Frechen!

Reibeisen Nr. 31: Einsendetermin ist vorbei, Sepp Grassmugg sammelt und sortiert bereits die eingelangten Beiträge. Demnächst beginnt die Kopierarbeit und dann treten wieder unsere Juroren in Aktion.
Der Schwerpunkt liegt 2014 u. a. auf unserem Nachbarland Ungarn, weiters wollen wir auch ein wenig die Arbeitswelt in der Literatur darstellen. Auch dazu gibt es schon  eine Reihe von Texten bzw. Textzusagen. Über den Feuilletonteil zerbricht sich die deutsche Redaktion schon den Kopf, es sieht also so aus, dass auch Heft 31 – 2014 wieder eine tolle Ausgabe wird.

Übrigens 2014: Da gibt es wieder eine Biennale in Kapfenberg, damit kommen wir unserer Verpflichtung nach, die Neuerscheinungen unserer Mitglieder zu präsentieren. Und ich kann eines bereits verraten: Das ist eine ganze Menge! Unsere Mitglieder sind höchst produktiv!


Um diese Nachlese(n) nicht immer so umfangreich zu machen, verzichte ich darauf, die Buchbesprechungen und –empfehlungen zu wiederholen. Sie sind auf unserer Homepage nachzulesen, dort werden sie auch sofort nach Erscheinen aufgenommen. Und ich freue mich immer, wenn ich ein neues Buch finde, lese, begeistert bin. Dann möchte ich meine Begeisterung weitergeben und andere Menschen animieren, dieses Buch zu lesen.
Ich lade Sie ein, auf unserer Homepage www.europa-literaturkreis.net zu schmökern und holen Sie sich Anregungen zu einem Sommer mit viel Lesestoff!

Termine:
Ich möchte noch darauf hinweisen, am 8. August starten Literaturkurse mit Christine Teichmann (Prosa), Ruth Barg und mir (Lyrik) im Rahmen der Aflenzer Kunstwochen. Siehe dazu www.aflenzer.kunstwochen.at Besonders hinweisen möchte ich darauf, dass im Rahmen einer großen öffentlichen Schlussveranstaltung die erarbeiteten Texte vorgestellt werden. Gemeinsam mit den übrigen Teilnehmern an den Kunstwochen (Maler, Fotografen Tänzer, Musiker) wird ein großer, schöner Abend im prachtvollen Ambiente der alten Propstei gestaltet. Wer weiß, vielleicht sind bei den Teilnehmern der Literaturkurse neue Reibeisenautoren dabei? Ich sag es frei nach Karl Farkas: „Schauen Sie sich das an!“

Der zweite Termin bezieht sich ebenfalls auf eine Weiterbildungsveranstaltung für Autoren: vom 10. bis 13.Oktober sind wir in Slowenien in Piran /Hotel Fiesa. Dabei ist der Prosakurs mit Karl Mittlinger bereits ausgebucht, bei Reinhard Mermi – Lyrik sind noch einige Plätze frei. Interesse? Bitte sofort mit christine.teichmann@aon.at Kontakt aufnehmen! Wir haben eine gemeinsame Busfahrt organisiert, so dass niemand Sorge wegen der slowenischen Autobahnmaut, Fahrt mit dem eigenen Auto im Ausland, Promilleproblemen usw. haben muss.

Ein Sir ist abgetreten. Walter Jens, langjähriger Juror in Klagenfurt, ständiger Widerpart von Marcel Reich Ranicki und – fast - immer auf Seiten der Autoren, verstarb von wenigen Wochen. Geboren 1923 in Hamburg, als Literat, Kritiker, Historiker und Übersetzer tätig, lange Jahre Präsident des PEN-Deutschland. War er seinerzeit bei der Gruppe 47 wegen seiner beißenden Kritik gefürchtet, so ganz anders in Klagenfurt. Und nicht einmal konnte Humbert Fink, der Anreger und Gründer des Ingeborg Bachmannbewerbes, als Moderator nach einer zorngeschwellten Rede von MRR ankündigen: „Es kommt was kommen musste: Walter Jens“ Danke für die vielen interessanten Gespräche, aber auch für die Bücher aus seiner Feder. Ich möchte dabei nur auf einziges hinweisen: „Der Fall Judas“ (1975) Darin behandelte Jens, der überzeugte Christ und Pazifist in einem fiktiven Seligsprechungsprozess den Fall des Judas Iskariot.

Die Klagenfurter Rede zur Literatur, diesmal von Michael Köhlmeier gehalten – eine berührende Gedenkrede für den früh verstorbenen (und in Klagenfurt „hingerichtet“) Autor Jörg Fauser. Verbunden mit einer Abrechnung mit jenen, die „dabei sind den Bachmannpreis abzumurksen“.
(Im Internet unter www.bachmannpreis.eu nachzuhören)


Herzliche Grüße aus der sommerlichen Steiermark!

Hans Bäck

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