http://bachmannpreis.eu/de
Wie zu erwarten, am Sonntag trat der Herr
ORF-Generaldirektor auf und verkündete mit stolzgeschwellter Brust, dass es
gelungen sei, den Bachmannpreis für die nächsten Jahre zu sichern. Ein Schelm,
wer anderes erwartet hatte bzw. jemand, der die österreichischen Sitten und
Gebräuche nicht kennt, der bekam vielleicht noch am Mittwoch bei der Eröffnung
wirklich Angst. Also, Ende gut, alles gut?
Na ja, sicher das Unbehagen am Bachmannpreis, an dessen
Vergabeprozess, das gibt es nunmehr schon seit 37 Jahren – so lange gibt es das
Wettlesen ja schon.
Was nun diesmal?
Auffallend, wie antriebslos, teilnahmslos die Jury über
weite Strecken wirkte. So, als ob sie wegen einer lästigen Verpflichtung hätte
teilnehmen müssen. Die Juroren verfielen oft in Gemeinplätze, aber hüteten sich
davor gemein zu werden. So um Korrektheit bedacht habe ich schon lange keine
Jury mehr erlebt. Klar, es muss nicht in alte Zeiten zurück verfallen werden,
wo Teilnehmer hingerichtet wurden, wo sich die Juroren hauptsächlich um Ihrer
selbst willen darstellten, aber ein wenig mehr Emotionen würde dem Bewerb, dem
Ablauf, dem Publikum aber auch den teilnehmenden Schriftstellern gut tun. So
herrscht über weite Strecken norddeutsche Kühle, Schweizer Biederkeit und
österreichische Gleichgültigkeit vor. Das ist schade. Ganz wenige Stellen, an
denen ein Schmarrn auch einmal als solcher bezeichnet wurde. Oftmals wurde in
„wissenschaftliche“ Formulierungen geflüchtet um sich vor einer pointierten
Stellungnahme zu drücken. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die
Juroren „ihre“ Teilnehmer, also jene, die sie vorschlugen, verteidigen müssen.
Da gab es schon einige, die in Erklärungsnotstand gerieten.
Wenn Ijoma Mangold im Interview erklärte, dass zumindest bis
zum zweiten Tag die Qualität der Texte so dicht war, wie schon seit Jahren
nicht mehr, bin ich fast geneigt, von Realitätsverweigerung zu sprechen.
Noch etwas: so humor - so witzlos habe ich schon lange keine
Bachmannpreisveranstaltung erlebt. Immerhin bin ich seit 1986 (mit
Unterbrechungen) immer „dabei“ und kann daher Vergleiche ziehen. Dabei wären
einige Texte durchaus in der Lage gewesen, auch Humor, Witz und Pfeffer in die
Veranstaltung zu bringen. Bei einer Jury in dieser Zusammensetzung ein
hoffnungsloses Unterfangen, da kommt kein Witz durch – schade eigentlich!
Es stimmt, Wendelin Schmidt-Dengler schrieb einmal davon,
dass die Aufgabe des Schriftstellers die des Analytiker, des Diagnostikers sei.
Da waren die Texte heuer meilenweit von diesem Anspruch entfernt. Ja, fast
hatte ich den Eindruck, dass geradezu mit
peinlicher Genauigkeit alles vermieden wurde, was die aktuellen Probleme
ansprechen könnte. Die Not Hunderttausender, wenn nicht Millionen Menschen in
Europa, die von einer außer Rand und Band geratenen Finanzindustrie ins Elend
getrieben wurden, die Aussichtslosigkeit unzählbarer Jugendlicher im regulären
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, die Situation jener Menschen, die mit lächerlichen
Zeitverträgen wohl Beschäftigung, aber keine Chance auf ein menschenwürdiges
Leben haben, all das wurde – bewusst? – ausgeklammert. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass bei bis zu 800 Einsendungen für einen Juror kein einziger Text
dabei gewesene wäre, der sich mit diesen Themen beschäftigt hätte.
Womit beschäftigten sich dann die Texte? Egal ob
ausgezeichnet oder durchgefallen?
Die Preisträgerin Katja
Petrowskja aus Kiew erzählte eine Episode aus der Geschichte ihrer Familie,
als im Kiew des Jahres 1941 die deutsche Wehrmacht einmarschiert und „Ordnung
macht“ „Alle und Sämtliche Juden haben sich am 29. September um 9h Morgens
einzufinden...“ Die Babuschka bewundert diese Exaktheit, lässt sich nicht
evakuieren und wird vom Cherr Offizehr auf der Stelle erschossen.
Der KELAG-Preis ging an Verena
Güntner mit einem Text, der sich mit einem Heranwachsenden Jungen
beschäftigt, der in einer Patchwork-Situation durch alle möglichen Tricks
versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Der 3-Sat Preis ging an Benjamin
Maak – die nächste Erzählung, die sich mit pubertären Problemen
beschäftigt. Diesmal geht es darum wie einer mit seiner Manie Käfer zu fangen
seine Umwelt behelligt.
Den Ernst Willner Preis erhielt Heinz Helle für einen Text über ein Paar, das sich einfach nichts
zu sagen hat. Gut lebt und nicht weiß, was es damit anfangen sollte.
Das Publikum ist immer für Überraschungen gut, so auch
diesmal. Den Publikumspreis erhielt Nadine
Kegele aus Wien. Da ist wenigstens Witz und Humor im Text (klar, dass der
bei Jury nicht einmal auf die Shortlist kam). Ja, „Scherben Schlucken“ (so der
Titel des Romanauszugs) hat das Zeug für einen guten Roman in sich! Das
Publikum hat anscheinend mehr literarisches Gespür als die hochkarätige Jury!
Noch ein paar
grundsätzliche Überlegungen:
7 Juroren schlugen 14 Autoren vor, also 2 Teilnehmer/Juror.
Auf die Shortlist kamen 7 Autoren:
Von Paul Jandl vorgeschlagen: Verena Güntner und Roman
Ehrlich (ohne Preis)
Von Hildegard Keller vorgeschlagen: Katja Petrowskja,
Joachim Meyerhoff (kein Preis)
Meike Feßman schlug Larissa Boehing vor – kein Preis,
Daniela Strigl hatte Heinz Helle vorgeschlagen,
und von Hubert Winkels wurde Benjamin Maak vorgeschlagen.
Die Preisträgerin des Publikumspreises wurde von Burkhard
Spinnen „ins Rennen geschickt“ ohne auf der Shortlist zu landen (siehe oben)
Die von Juri Steiner vorgeschlagenen Autoren gingen
überhaupt leer aus.
Ein Resümee:
Es geht weiter mit dem Bachmannpreis, das ist gut so.
Es soll nachgedacht werden, wie es weitergeht, das ist
ebenfalls gut so.
Es soll überlegt werden, was und wie geändert werden könnte:
das ist sehr gut so!
Der Preis ist mit € 25 000,- dotiert, das ist je keine
Kleinigkeit. Dafür kann man schon Qualität erwarten und man kann auch erwarten,
dass jene, die darüber befinden (die Jury), sich dessen bewusst sind und in
Hinkunft der Qualität der Texte mehr Augenmerk schenken.
Es gab heuer sicher Texte – und da bin ich im Widerspruch
zum Ijoma Mangold – die bei einem Bewerb, bei dem insgesamt € 54 500,- sowie
weitere € 5 000,- als Stipendium für die Stadtschreiberin, zur Vergabe
anstehen, nichts verloren hätten. Also, fast € 60 000,- da darf man schon
einiges erwarten!
Die Verantwortung liegt nicht bei den Autoren, sie liegt
eindeutig bei den Juroren, diese wählen aus, laden ein und beurteilen dann! Da
müssten sich die Veranstalter und Juroren Verbesserungen überlegen.
Allerweltstexte zu Allerweltsthemen dafür sind die Preise zu hoch!
Hans Bäck
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