Samstag, 22. Februar 2014

Buchbesprechung


Des Caterpillars Echo

von Dietwin Koschak
lyrische Prosa, Edition Garamond Wien; ISBN 978-3-85306-051-3

Da höre ich vorerst einmal knarren, knacken, reiben von Metall auf Metall, das Brummen eines niedertourigen aber pferdestarken Dieselmotors. Also bin ich gespannt, wie sich daraus lyrische Prosa entwickeln kann. Bei Dietwin ist man ja einiges gewöhnt.

Ich halte mich nicht gerne an Vorworte die für ein Buch von Dritten geschrieben wurden, ich lasse mich lieber selber auf das Abenteuer des Lesens und Entdeckens ein. Aber ein paar Hinweise sind dem Vorwort von Frau Univ. Dozin Maga Drin Alice Le Trionnaire-Bolterauer doch entnommen: „Was die Surrealisten forderten: Die Überwindung des Primats von Rationalismus und Fortschritt“ Und weiters betont die Verfasserin des Vorwortes, dass den Texten ganz sicher der Aufbruchgestus der Surrealisten fehlt. Sie vermisst weiters das was wohl den Reiz des surrealistischen Unterfangens gebildet hatte: Die Überzeugung nämlich durch die Beseitigung der einseitigen Betonung von Vernunft, Logik und Faktizität zu einem umfassenderen und „glücklicheren“ Menschen zu gelangen, diese Überzeugung kann die Verfasserin aus den Texten von Dietwin nicht finden. Wohl aber – und da treffe ich mich mit der Frau Dozentin: Das postmoderne „anything goes“ eine grundsätzliche Verfügbarkeit über alles kulturell Geformte und das Spiel damit.
Ja, das Spiel mit dem Kulturschatz, dem Kanon der Symbole, wenn man so will. Das Spiel mit Manierismen, das Durcheinanderwerfen von Bekannten, vermixen mit Ungeahnten und Überraschenden. Damit steht Dietwin sicher in der Reihenfolge der Surrealisten, in der Nachfolge. Es ist ja gut, auch dieser Spielart der Literatur nachzufolgen, sich daran zu versuchen, es müssen ja nicht immer wieder Übungen in Sonetten und Terzinen sein, es darf und soll auch einmal eine Übung im postmodernen Stil erfolgen. Wir, seine Freunde und Kollegen wissen ja, das auch sein Verfahren die Texte entstehen zu lassen, dem Prozess der Surrealisten folgt: Das intuitive  Niederschreiben, oder wie es Dietwin einmal selber sagte, die Texte schreiben sich. Ganz im Unterschied zur herkömmlichen Art zu schreiben: Da wird um Worte gerungen, werden Phrasen gesucht, wird gefeilt und geschliffen bis der Autor einigermaßen zufrieden ist. Wie ist das nun bei Dietwin Koschak? Geht er den Weg seiner Vorgänger? Es scheint so zu sein. Ein Indiz für diesen „Verdacht“ sehe ich auch darin, dass der Autor seit einiger Zeit äußerst produktiv ist und Bändchen auf Bändchen herausbringt. Wäre aber nicht doch auch einmal das Arbeiten an einem Text mehr als nur sich darauf zu verlassen, dass die Texte sich selber schreiben? Was ist beispielsweise ein Verrat an Orion? Überhaupt hat es der Dichter mit den Gestirnen: Die Sonne und der Mond sowieso, aber unentwegt und in jedem Band der Orion (als ob es keine andere Formation auf dem Nachthimmel gäbe), neuerdings die Plejaden und der unvermeidliche Alpha Centauri.
Ebenso wiederkehren in jedem der Bücher von Dietwin die Rehe, ob fliehend, wiederkehrend, sie sind immer da. Manchmal mutieren sie zu Rotwild, aber ich bin mir nicht sicher ob Dietwin so genau zwischen Hirsch (Rotwild) und Reh unterscheidet. Ist ja bei den Surrealisten auch nicht so notwendig.
Natürlich gibt es Stellen, wo ich eingestandenermaßen hingerissen war: „Es lohnt sich mit den Augen zu hören“ das ist schon etwas, was unter die Haut geht beim Lesen. Gerne folgte ich ihm bei seinen Assoziationen zu Schuberts Winterreise, wahrscheinlich auch deswegen, da auch mir dieses Werk so am Herzen liegt. Halten wir doch fest: Was ist daran nicht schon alles herumgedeutet und interpretiert worden, es sei nun wirklich einem Surrealisten-Nachfahren gestattet (und vergönnt) abseits aller Musikologen darüber nachzudenken, die goldene Sichelmöndin ins Spiel zu bringen, oder kein Anfang ohne Bild. Das sind schon starke Ideen und Sätze, wo es sich lohnt die Winterreise auf den Plattenteller zu legen und hineinzuhören. Doch dann haut der Dichter den Leser einfach mit der Faust ins Gesicht: „Bleib treu dir selbst“ Für diesen Satz würde ich ihn zu zwanzig Jahren Festungshaft bei Wasser und Brot und als Pflichtlektüre die nicht angenommenen Texte aus 31 Reibeisenjahren verurteilen. Das gehört bestraft, das darf nicht sein, auch nicht in der Umstellung des Satzgefüges, wie es von Dietwin vorgenommen wurde. Das hätte der Josef Kirschner in einem seiner Bücher über das Meistern des Lebens schreiben können (und dürfen) oder es könnte in der Familienkonferenz unseligen Angedenkens stehen. Dann wieder ein Satz, nein, ein Gedanke: Eurydike – prisoner of love oder Morgen, das Wort der Sehnsucht.

Achtzig Seiten Streifzug durch die Welt der Surrealisten der letzten zwanzig, dreißig Jahre, Postmoderne, und was bleibt? Ein wenig ein Unbehagen, auch nach der dritten Lesung. Es wird so vieles angerissen, angesprochen, Neugierde geweckt, und es bleibt so vieles offen, ungesagt. Vielleicht ein großer Versuch, aber es blieb bei einer Anhäufung von doch vielen kleinen Steinchen. Diese können ein Mosaik ergeben. Das wäre eine Lösung. Ein Mosaik, dessen Steinchen von einem ein wenig durcheinander gebracht wurden. Die Neu-Ordnung soll der Leser selber machen und finden.

Hans Bäck

Weitere Werke des Autors:
Das Licht am anderen Ende der Nacht
Die große Reise - Ausgewählte Gedichte

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