von Josef Graßmugg
Ein
zarter Windhauch
vom
Garten, duftbeladen,
trägt
Stimmen zu mir.
„Julia, ich weiß,
dass ich mich blöd benommen habe. Es tut mir auch leid…“
Zweifellos ist es die
Stimme eines jungen Burschen, die zwischen Sträuchern und Hecken hörbar ist.
Ich sitze gemütlich auf der Terrasse des kleinen Hotels und genieße die ersten
warmen Sonnenstrahlen dieses Jahres. Gleichzeitig sind es die letzten des
Tages.
Ungewollt höre ich
die Worte eines Gespräches, das nicht für meine Ohren bestimmt ist.
„Du hast mich vor
deinen Freunden blamiert.“ höre ich jetzt die weinerliche Stimme des Mädchens „Warum
gehst du nicht wieder zu ihnen? Macht euch doch lustig über mich...“
Es ist mir peinlich,
als unsichtbarer Dritter Zeuge dieses Gespräches zu sein. Aber soll ich jetzt dieses
wunderbare Plätzchen verlassen? Mir bleibt längstens noch eine halbe Stunde, in
der ich die Sonne genießen kann. Dann wird es Zeit, der Kühle des Abends zu
weichen.
„Ich hab dir doch
gesagt, dass es mir leid tut.“ Die Stimme des Burschen klingt mindestens
genauso verzweifelt, wie jene des Mädchens.
Obwohl es traurig ist,
den beiden zuzuhören, ist es auch amüsant.
Beide wissen, dass da
etwas schiefgelaufen ist.
Beide wollen, dass
alles wieder ist, wie vorher.
Trotzdem finden sie
nicht zueinander.
Unwillkürlich muss
ich an meine Frau denken. Haben wir diese Situation nicht auch erlebt? Mehrmals
erlebt? In den gleichen und in vertauschten Rollen?
Dieser
Tag, so leer,
ausgehöhlt
von Stolz und Scham.
Sehnsucht
nach Gestern.
Plötzlich habe ich
das Bedürfnis, meine Frau anzurufen. Ich stehe auf und will in mein Zimmer
gehen. Doch irgendetwas hält mich auf der Terrasse. Ist es die Kraft der Sonne?
Ist es das Gefühl, mich nicht davonschleichen zu wollen, als ob ich etwas Verbotenes
getan hätte? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Jugendlichen irgendwo da
draußen im Garten mein Gespräch ruhig mithören dürfen.
Ich rufe den ersten Speicherplatz
meines Handys auf.
„Hallo Schatz, meine
Arbeit für heute ist erledigt. Ich bin schon im Hotel.“ Mit Sicherheit ist es
keine gespielte Höflichkeit, die mir aus dem Handy entgegenkommt. Ich spüre,
dass sich meine Frau über den Anruf freut.
„Morgen komme ich
nach Hause. Dann lassen wir es uns übers Wochenende gut gehen. Wenn das Wetter
so bleibt, müssen wir unbedingt einen Ausflug machen. Nur wir beide. Vermutlich
haben die Kinder ohnehin schon andere Pläne.“ Die Bestätigung kommt umgehend.
Beide Töchter sind zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Erfahrungsgemäß
beanspruchen derartige Partys den Großteil des Wochenendes. Wenig überraschend
für mich gesteht mir meine Frau, dass auch sie hinaus in die Natur will.
„Dann ist ja alles
klar. Ich hätte da auch schon eine Idee, was wir machen könnten: Was hältst du
davon, wenn wir wieder einmal in dieses Dorf fahren, wo wir uns damals beim
Jugendausflug zum ersten Mal näher gekommen sind; und wir machen dort in der
Umgebung die gleiche Wanderung, die wir damals gemacht haben?“
Meine Frau ist zwar
ein wenig verwundert, wie ich ausgerechnet auf diese Idee komme, willigt aber
sofort ein.
„Das heißt, falls es
diesen Weg überhaupt noch gibt. Vielleicht gibt es sogar noch dieses Gasthaus,
wo wir damals den Bohnensterz gegessen haben. Ich kann mich noch genau
erinnern, dass du zum ersten Mal einen gegessen hast.
Ich merke schon, ich
komme ins Schwärmen. Aber ich freu mich wirklich schon drauf.
Weißt du noch, wie
meine Freunde und ich dir vorwarfen, du seist eine eingeschleuste
Burgenländerin oder Kärntnerin, weil du bis dahin keinen Steirischen Bohnensterz
gekannt hattest?“
Natürlich kann sich
auch meine Frau noch daran erinnern. Heute sorgen solche Episoden auch bei ihr
für Heiterkeit – obwohl sie damals ziemlich gekränkt war.
Worte
und Taten
können
alles zerstören –
oder
Beginn sein…
„Weißt du was,
Schatz? Ich leg jetzt auf. Ich glaube, ich mach noch einen kurzen Spaziergang.
Wir sehen uns dann morgen. Ich hab dich lieb.“
Ich beschließe, quer
durch den Garten in Richtung Wegkreuz zu wandern, das ich in einiger Entfernung
erkennen kann.
Nach wenigen
Schritten entdecke ich auf der Holzbank zwischen den blühenden Kirschbäumen
zwei Personen. Auch wenn ich sie vorher nie gesehen habe – ich weiß, dass es
die beiden sind, deren Gespräch ich vorhin mitgehört habe. Nichts deutet mehr
auf einen Streit hin.
So wie sie noch vor
wenigen Minuten nicht gemerkt haben, dass ich sie höre, so scheinen sie jetzt
nicht zu merken, dass ich sie sehe. Zufrieden lächelnd gehe ich an ihnen
vorbei. Ich freue mich schon auf morgen.
Sonnenlicht
atmen,
in
den Himmel sich träumen –
Liebe
erleben.
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