(c) Hans Bäck |
Vielleicht hat jemand von Wolfgang St. gehört. Früher
einmal, vor Jahren. Nun meine ich, ist er schon längst im „wohlverdienten“
Ruhestand, denn dieser gehört ja zu seinen „wohlerworbenen Rechten.“ Sie seien
ihm gegönnt. Wahrscheinlich sitzt er nun irgendwo in der Waldeinsamkeit, träumt
vor sich hin, züchtet Bienen oder Kaninchen oder macht sonst was. Oder auch
nix. Auch das ist dem Wolfgang St. zuzutrauen. Dass er den ganzen Tag auf einer
selbst gebastelten Bank sitzt, an seiner Zigarette zieht, hin und wieder an der
Bierflasche zuzzelt und in die Sonne blinzelt. Gesprochen hat er öfter davon,
dass er irgendwann einmal, wenn der Druck des Berufslebens weg wäre, dann auch,
wie andere Menschen die Möglichkeit
haben möchte, vor sich hinzuträumen. Ist
ja kein schlechter Vorsatz.
Nun ist es ja so, dass Wolfgang St. und ich in der
Vergangenheit uns immer wieder trafen, über alles und jedes und auch jeden
sprachen. Meist dann, wenn sich Gesprächsstoff angesammelt hatte, ging von
einem von uns beiden die Initiative aus „Du wir müssten darüber reden, wann
hast den Zeit?“ Doch das war einmal, früher halt. Inzwischen hat sich soviel
angesammelt, dass ich es mir direkt überlege, Wolfgang St. in seiner Waldeinschicht
aufzusuchen. Ich kann mir gut vorstellen, ihn dort anzutreffen, so wie oben beschrieben, auf der Bank in der
Sonne, eine Bierflasche in der einen Hand, in der anderen die unvermeidliche Zigarette. Er würde, wenn
er meine Schritte vernimmt, einmal die Augen beschatten und entgegenblinzeln.
„Ja hallo, was führt denn dich da zu mit her oder hast dich im Wald verirrt“ So
oder ähnlich würde er mich begrüßen. Die Aufforderung neben ihm auf der Bank
Platz zu nehmen, dabei würde er ein paar getrocknete Pilze beiseite schieben,
neben sich in den Schatten unter die Bank greifen und mir eine Bierflasche
hinhalten. „Nimm nur, ist bis vor Kurzem noch im Brunnentrog gewesen, hat die
Idealtemperatur“ Dann würden wir mit den beiden Flaschen zusammenstoßen, so wie
früher eben und einen ordentlichen Schluck Bier nehmen. Wahrscheinlich würden
zuerst einmal ganz banale Dinge aufs Tapet kommen, so etwa was gemeinsame
Bekannte machten, wer gestorben sei, all das, was halt Freunde, die sich nach
langer Zeit wieder treffen daher reden. Später dann, beim dritten oder vierten
Bier, kämen wir wahrscheinlich zur Sache. Und die Sache wäre, so wir früher
auch, eben das mit den Büchern. Da konnten wir beide stundenlang darüber reden,
über ein neues Buch, ein neues Theaterstück usw. Ich würde beispielsweise
anschneiden, wie die subtile Zensur der Gutmenschen die literarische Produktion
beeinträchtigt. Auf die Aufforderung Wolfgangs ein Beispiel zu nennen, könnte
ich ja auf die Tatsache hinweisen, dass es heute verboten ist, in einem Text
von einem wohlformten langen Damenbein zu schreiben, der Schreiber würde sofort
des Sexismus bezichtigt werden. Wolfgang würde seinerseits darauf hinweisen,
dass es heute für einen Autor jenseits der Siebzig unmöglich sei, über Sex zu
schreiben, außer es heiße Walser. Es würde
die Erinnerung kommen, an das Stück „Gespenster“ vom Wolfi Bauer im
Grazer Schauspielhaus. Wir wären uns sofort einig, dass ein derartiges Stück
jetzt nicht mehr geschrieben werden könne. Und wenn es geschrieben würde, meinte
Wolfgang St., dann käme es nie mehr zu einer Aufführung. Allein der Satz „Alle
Sportler sind Warme“ käme heute unmöglich in einem Stück vor, dürfe keinesfalls
auf einer Bühne gesprochen werden. Vom Nordkap bis Gibraltar und von Dublin bis
Fehring würden sämtliche Gutmenschen aufheulen und die Diskriminierung von
sexueller Orientierung anprangern. Wolfgang würde noch ergänzen, dass wir zu
den Gutmenschen noch die Gutmenschinnen dazu nehmen müssten, denn sonst würde
uns die Gleichbehandlungskommission im Genick sitzen. Immerhin ist es an
österreichischen Fachhochschulen schon Vorschrift, die Diplomarbeiten
gendergerecht zu verfassen, sonst könne es passieren, dass die Arbeit nicht
angenommen oder gar nicht bewertet würde. Der Diplomant könne ohne weiteres
einen wissenschaftlichen Schwachsinn schreiben, wichtig ist nur die Verwendung
des Binnen I oder anderer Formen des geschlechtsneutralen Schreibens. Und
niemand riskiert deswegen eine Ablehnung seiner mühevoll erstellten
Diplomarbeit und beuge sich daher vorauseilend der Zensur.
Tief und ausgiebig rülpsend würde sich Wolfgang St.
zurücklehnen und abschließend sagen, wie froh er sei, im tiefen Wald zu leben
und sich mit den ganzen Scheiss nicht mehr auseinander setzen zu müssen. Mit
den besten Wünschen für seine Waldesruh würde ich mich dann von ihm
verabschieden, nicht ohne anzukündigen, wenn mich wieder etwas ärgere, zu
kommen. Das Gespräch mit ihm ändere zwar nichts an den unerfreulichen
Tatsachen, aber es erleichtere ungemein.
Hans Bäck
31. Mai 15
Wie könnte jemand das Wort "Diplomand" gendergerecht schreiben?
AntwortenLöschenUnd "Gutmenschenfeind"?
Mei, bini heit grauslich!
Wie könnte jemand das Wort "Diplomand" gendergerecht schreiben?
AntwortenLöschenUnd "Gutmenschenfeind"?
Mei, bini heit grauslich!