„Reise nach Unterkralowitz“
(Limbus Verlag 2009)
„Versuch den Blitz einzufangen“
(Limbus Verlag 2011)
Ich gebe zu, ich war konsterniert. Da legt ein Autor wie
Manfred Chobot einen Familienroman vor. Nach meiner persönlich subjektiven
Schätzung den 89327. dieses Genres.
Nicht genug damit, zwei Jahre später „schießt“ er einen
weiteren nach. Damit wäre ich dann schon mit meiner Schätzung beim etwa 95768.
Familienroman angelangt. Was zum Teufel ist in den Manfred Chobot gefahren? Das
gibt es doch nicht, dass sich dieser Autor
hinreißen lässt und in diesem Genre wildert! So meine erste Einschätzung. Und
weil ich das nicht glauben wollte, setzte ich mich neuerlich hin und las die
beiden Bücher nochmals. Sorgfältig, um nur ja nicht zu überlesen, was den Autor
veranlasst hätte zuerst einmal die Geschichte einer/seiner Familie seit den
letzten Zügen der Monarchie zu beschreiben. Alles was wir da kennen: Die nach
Wien einwandernden „Böhmen“, die Zustände in den Mietskasernen, die
Zwischenkriegszeit mit ihren Polarisierungen und dem täglichen Kampf ums
Überleben, den aufkommenden Nationalsozialismus, die Verheißungen die damit
versprochen wurden, die Jahre der Braunen Diktatur incl. des Krieges und jener
Menschen, die es sich „gerichtet“ haben und auch die neuerliche Wende nicht nur
der Fahnen und Gesinnungen! Sogar die „Friedensdemo Künstler für den Frieden“
findet breiten Raum in der Schilderung der unmittelbaren Familiengeschichte.
Das eigene Kind, die Probleme der Groß-Eltern damit. Natürlich, da blitzt immer
wieder der bekannte Humor des Autors in seinen Bildern auf. Wenn er
beispielsweise erzählt, wir Kriegsbeschädigte des Ersten Weltkrieges mit ihren
Krücken dastehen und das fehlende Bein „hingegeben für Kaiser und Vaterland.
Weder der Kaiser noch das Vaterland haben sein Bein gefunden. Wie Tausendfüßler
würden der österreichische und der deutsche Kaiser aussehen.“ Ja, das sind
schon Chobot’sche Glanzlichter. Aber deswegen einen Familienroman schreiben?
Also, warum bloß?
M. Chobot: Versuch den Blitz einzufangen |
Und weil es so schön war (und ihn sicher gefreut hat) folgt
dann nach zwei Jahren der „Versuch den Blitz einzufangen“. Waren bei der „Reise
nach Unterkralowitz“ die Männer die Hauptakteure, so sind es nun die Frauen.
Und welche Frauen! Sapperlot, da legt der Autor so richtig los! Die Antonia,
die unzähligen Tanten aus allen Himmelsrichtungen, die sich ein Stelldichein
geben, um in den meisten Fällen zu streiten, dass die sprichwörtlichen Fetzen
fliegen. Und dann die köstliche Brigitte, die Hure Erster Klasse. Großartig,
wie die Frauen es schaffen durch die Zeiten zu kommen. Und das mit fast bei
jeder zweiten Seite wechselnder Erzählperspektive.
Wie das zu lesen war? Natürlich köstlich, ich musste mir nur
angewöhnen, auf einem Zettel neben dem Buch aufzuschreiben, welche der vielen
Frauen gerade an der Stelle am Werken war, ihre Kinder verdrosch, den Mann
austauschte oder auch dem Mann „ins Feld“ nachfolgte. Von da weg, las ich die
beiden Bücher mit Genuss, fand die typischen Chobot-Spezialitäten verborgen in
so kleinen Episoden wie die Erfindung der Honigmarmeladenfabrik mit den
dazugehörigen Honigmarmeladenabfüllmaschinen usw.
Ein Resümee? Aber natürlich kann man (nein, kann Chobot) und
darf man einen oder auch zwei Familienromane hintereinander schreiben, wenn sie
so viele Neuerungen in den alten Bildern, die wir alle schon hunderte und
tausende Male bis zum Überdruss gelesen haben, beinhalten und damit aufwarten.
Wenn man das überwunden hat, ist der Lesespaß garantiert!
Hans Bäck
Europa Literaturkreis Kapfenberg
Mitglied PEN-Trieste, OESV/AWA und Podium
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Rezension „Versuch den Blitz einzufangen" – Klaus Ebner; Literarisches Österreich, Heft 2012/1
Rezension "Versuch den Blitz einzufangen" - Emily Walton; Literaturhaus Wien
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