Mönche und Nonnen
von Insa Segebade
Dominikaner oder Franziskaner? Der demutsvoll nach
unten gesenkte Blick hätte einem Franz von Assisi zu aller Ehre, besser zu
aller Demut gereicht. Doch was soll dieser verschwenderische Faltenwurf des
braunen Gewandes? Der Stoff ist von guter Qualität. Kein Sackleinen, Jute etwa.
Dann der Blick auf die Füße. Der wird ihn endgültig entlarven. Sandalen. Aber
darunter Wollsocken. Dezentes Muster zwar, aber doch Socken. Also doch ein
Dominikaner.
Die einen tragen blütenweiße Kleider und schwarze
Schleier. Bei anderen ist es genau umgekehrt. Das schwarze Kleid mit dem weißen
Schleier ist besonders dem deutschen Auge vertraut. Eine kleine Gruppe sieht in
ihren graublauen Uniformen aus wie eine Abordnung aus einem Feldlazarett im
amerikanischen Bürgerkrieg. Kerzengerade, den Blick streng nach vorn gerichtet,
geht eine Nonne mit aufwändigem Kopfputz durch das rechte Seitenschiff. Die
einem Schwan ähnelnde Haube, die an den Seiten, den Flügeln, mit Draht
verstärkt ist, wiegt sich im Rhythmus der Schritte. Herauf und herunter. Wie
ein Vogel, der versucht zu fliegen und doch nicht vom Boden abhebt.
Es sind nicht nur alte Nonnen, die sich an diesem
Nachmittag in der Basilica di Santa Maria Maggiore versammelt haben. Viele
junge, hübsche Gesichter sind unter ihnen. Keineswegs vergrämt, auf der Flucht
vor einer bösen Welt in die Arme der Kirche gesunken. Sie begrüßen sich mit
zwei, drei Küsschen auf die Wange, laufen aufgeregt durch die vollbesetzten
Reihen, auf der Suche nach bekannten Gesichtern. Sie schwatzen und kichern
verstohlen hinter vorgehaltener Hand. Anstelle eines ehrwürdigen Gestühls aus
geschnitztem Holz stehen rote Plastikstühle auf Mosaik und Marmorböden. Blaue
Plastiksäcke werden ausgebreitet, um sich beim Hinknieen nicht das Gewand zu
beschmutzen.
Ein hochgewachsener Mann schreitet durch das
Schiff direkt auf den Altar zu, der von allen Seiten beleuchtet wird. Noch sind
nicht alle Scheinwerfer angebracht. Auch ist noch nicht sicher, wo die beiden
Kameras stehen sollen. Streng blickt der heilige Mann durch seine runden
Brillengläser. Die leuchtend violette Kappe auf seinem Kopf hebt sich perfekt
von dem knöchellangen, schwarzen Gewand ab. Geräuschlos zieht er sich wieder
zurück. Vorbei an den Ordnungskräften, die einige Besucherinnen ermahnen, ihre
nackten Schultern zu bedecken.
Mehrere Touristengruppen werden durch die
Basilica geführt. Sie folgen den hochgehaltenen Regenschirmen oder den roten,
langstieligen Nelken ihrer Rudelführer. Der Regenschirmhalter treibt seine
Herde zur Eile an. Schnell noch einmal die Kamera hochgehalten, am besten auf
eine Skulptur, ein Blitz, auf zur nächsten Kirche.
In der Garderobe, hier heißt es Sakristei, geht
es hoch her. Ein Kardinal ist da. Der mit der leuchtend violetten Kappe. Da
muss alles besonders gut sitzen. Endlich hebt sich der Vorhang. Gefeiert wird,
so steht es im Programmheft, der Geburtstag der heiligen Eucaristica. Ihr
hundertster. Die Ausstattung ist vom Feinsten. Weihrauch-Fässchen werden von
rotwangigen Messdienern geschwungen. Weiße und goldene Gewänder überfluten den
Raum und lassen die Kleider der Nonnen ärmlich und schäbig aussehen. Die Bräute
Jesus haben sich derweil ehrfurchtsvoll auf den Boden, auf die blauen
Plastikmüllsäcke gekauert. Aschenputtel und die Prinzen. Dutzendfach. Und ein
König. Die violette Kappe, die so neckisch über das weiße Haar gestülpt war,
ist gegen einen hohen, spitzen Hut, der einer Krone ähnelt, vertauscht worden.
Auf roten Kissen werden die Requisiten hereingetragen. Nach einer sorgfältig
ausgearbeiteten Choreografie verteilt sich das Ensemble im Raum des Hochaltars.
Den spitzen Hut in ihrer Mitte. Langsam hebt der die Arme, als wollte er wie
ein Rockstar sein wild applaudierendes, tobendes Publikum beruhigen. Die
Kameras surren, die Schminke beginnt im heißen Licht der Scheinwerfer zu zerlaufen.
-
"Emsig wallet der Pilger! Und wird er den
Heiligen finden? Hören und sehen den Mann, welcher die Wunder getan? Nein, es
führte die Zeit ihn hinweg; du findest nur Reste, seinen Schädel, ein paar
seiner Gebeine verwahrt. Pilgrime sind wir alle, die wir Italien suchen; nur
ein zerstreutes Gebein ehren wir gläubig und froh." (Goethe)
Hier könnte Dein Kommentar stehen!
AntwortenLöschenEin iteressanter und schöner Text über italienische Kirchengebräuche. Ich könnte da einige recht lustige Geschichten beitragen, aber das würde den Rahmen sprengen.
AntwortenLöschenmlG. Kurt