Katzenvon Insa Segebade
Manche sonnen sich auf den Dächern parkender
Autos. Andere schlummern im Schatten der Blechkarossen. Ein paar gewitzte haben
ihr Quartier in der Nähe der kleinen Fischgeschäfte in den engen
Straßenschluchten aus ockergelben und rostroten Häuserfassaden aufgeschlagen.
Unter halb geschlossenen Lidern blicken die Katzen Roms auf das hektische
Treiben, das um sie herum herrscht. Verwirrte Touristen, die ihren Stadtplan
mal in diese, dann in jene Richtung halten. Verärgerte Cafébesucher, die sich
darüber beschweren, dass der Espresso am Tisch dreimal soviel kostet wie im
Stehen an der Theke. Schwarzhaarige, aufgeputzte Frauen, die ihre Einkäufe
erledigen und mit schriller Stimme über Preise verhandeln. Ältere Männer mit
Schnauzbart, die wild gestikulierend vor den Wettbüros stehen. Auf knatternden
Vespas fahrende Jugendliche, die auch dort Schlupflöcher finden, wo die Autos
längst kapituliert haben. Der Roller, ein Relikt aus den Sechzigern, immer noch
nicht aus der Mode gekommen. Dafür schallt nur selten ein voll aufgedrehtes
Kofferradio hinter den tagsüber zugeklappten Fensterläden auf die Straße.
Von Zeit zu Zeit gähnen sie. Sie entblößen ihr
kräftiges Gebiss, die Augen werden zu schmalen Schlitzen. Sie strecken sich,
schlecken sich die Vorderpfote, fahren sich damit über die Ohren, rollen sich
wieder zusammen und schlafen weiter. Den großen Straßen bleiben sie fern. Der
Via dei Fori Imperiali etwa oder der Via del Corso, die am Piazza del Popolo
endet, durch dessen Tor Goethe vor mehr als zweihundert Jahren die Stadt
betrat. "Auch ich in Arkadien." Im Rom der Katzen mag ein Stück
dieses Arkadiens erhalten geblieben sein.
Das Reich der Katzen sind die schmalen Straßen
Trasteveres. Der Park auf dem Gianicolo, von dem Garibaldi hoch zu Ross die
ganze Stadt überblickt. Oder der protestantische Friedhof an der
Cestiuspyramide neben dem südlichen Stadttor. Hinter seinen Mauern sind die
Nicht-Katholiken begraben. Die englischen Dichter Shelley und Keats oder
Goethes Sohn August. Hier streichen sie um die Grabsteine, steinerne Monumente,
reiben ihren Kopf an weißem Marmor und schauen neugierig und erwartungsvoll auf
die Menschen, die auf den Wegen umherschlendern und dabei versuchen, die
Inschriften auf den Steinen zu lesen. Doch nur dem, der sich Zeit lässt und sich
zu ihnen auf den Boden hockt, streichen sie um die Beine, wobei sie leise und
zufrieden miauen und schnurren. Ein paar Mutige springen einem gar auf den
Schoß und arbeiten sich weiter zu den Schultern vor, wo sie sich genussvoll
seufzend niederlassen. Fünf kleine, flauschige Wolleknäuels auf Füßen stolpern
und kugeln durch die angelehnte Holztür in das sichere Dunkel des
Geräteschuppens. Kurz darauf blicken zwei grün glänzende Augen aus dem
Türspalt. Ein vorwitziges Wolleknäuel, das sich schon wieder herauswagen will,
wird sanft, aber bestimmt von der mütterlichen Nase zurückgestubst.
Ein anderes Leben führen die Tempelkatzen mitten
im Stadtzentrum. Zwischen Ruinen, moosüberwachsenen Säulenresten auf wild
wachsendem Rasen schleichen sie auf spitzen Pfoten über das Gestein. Ihr
kleines Paradies ist eingezäunt. Rings um das rechteckige Überbleibsel einer
scheinbar vergangenen Zeit braust der Verkehr. Ein paar Freiwillige füttern die
Vierbeiner. Sogar adoptieren kann man sie, die Tempelkatzen. Nur fortbringen
aus ihrem Arkadien sollte man sie nicht.
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