Katzen
von Insa Segebade
Von Zeit zu Zeit gähnen sie. Sie entblößen ihr
kräftiges Gebiss, die Augen werden zu schmalen Schlitzen. Sie strecken sich,
schlecken sich die Vorderpfote, fahren sich damit über die Ohren, rollen sich
wieder zusammen und schlafen weiter. Den großen Straßen bleiben sie fern. Der
Via dei Fori Imperiali etwa oder der Via del Corso, die am Piazza del Popolo
endet, durch dessen Tor Goethe vor mehr als zweihundert Jahren die Stadt
betrat. "Auch ich in Arkadien." Im Rom der Katzen mag ein Stück
dieses Arkadiens erhalten geblieben sein.
Das Reich der Katzen sind die schmalen Straßen
Trasteveres. Der Park auf dem Gianicolo, von dem Garibaldi hoch zu Ross die
ganze Stadt überblickt. Oder der protestantische Friedhof an der
Cestiuspyramide neben dem südlichen Stadttor. Hinter seinen Mauern sind die
Nicht-Katholiken begraben. Die englischen Dichter Shelley und Keats oder
Goethes Sohn August. Hier streichen sie um die Grabsteine, steinerne Monumente,
reiben ihren Kopf an weißem Marmor und schauen neugierig und erwartungsvoll auf
die Menschen, die auf den Wegen umherschlendern und dabei versuchen, die
Inschriften auf den Steinen zu lesen. Doch nur dem, der sich Zeit lässt und
sich zu ihnen auf den Boden hockt, streichen sie um die Beine, wobei sie leise
und zufrieden miauen und schnurren. Ein paar Mutige springen einem gar auf den
Schoß und arbeiten sich weiter zu den Schultern vor, wo sie sich genussvoll seufzend
niederlassen. Fünf kleine, flauschige Wolleknäuels auf Füßen stolpern und
kugeln durch die angelehnte Holztür in das sichere Dunkel des Geräteschuppens.
Kurz darauf blicken zwei grün glänzende Augen aus dem Türspalt. Ein vorwitziges
Wolleknäuel, das sich schon wieder herauswagen will, wird sanft, aber bestimmt
von der mütterlichen Nase zurückgestubst.
Ein anderes Leben führen die Tempelkatzen mitten
im Stadtzentrum. Zwischen Ruinen, moosüberwachsenen Säulenresten auf wild
wachsendem Rasen schleichen sie auf spitzen Pfoten über das Gestein. Ihr
kleines Paradies ist eingezäunt. Rings um das rechteckige Überbleibsel einer
scheinbar vergangenen Zeit braust der Verkehr. Ein paar Freiwillige füttern die
Vierbeiner. Sogar adoptieren kann man sie, die Tempelkatzen. Nur fortbringen
aus ihrem Arkadien sollte man sie nicht.
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