Nachrichten vom 16.12.2014
von Christine Teichmann
In
Dresden demonstrieren 15.000 für Deutschland,
als
hätten sie Angst, in Vergessenheit zu geraten, wenn sie nicht immer wieder
betonen, was Deutschland für die Welt bedeutet
-
als könnte die Welt Deutschland je vergessen…
Wir
wollen nicht mehr tolerant sein, sagt einer
und
ja, sage ich
lasst
uns damit aufhören.
Üben
wir Intoleranz,
wenden
wir den Verhetzungsparagraphen an
bei
jeder Stammtischrunde.
Schlucken
wir nicht mehr unsere Antworten hinunter,
um
die Stimmung bei der Weihnachtsfeier nicht zu stören
bei
jedem rassistischem Witz,
bei
jedem frauenfeindlichen Witz,
bei
jedem homophoben Witz.
Üben
wir uns endlich in Intoleranz
und
lassen wir doch erkennen
dass
ein Mensch
ein Mensch
ein Mensch ist.
Sogar
die, die anderen das Mensch-Sein leugnen.
Die
da unbedingt eine Grenze ziehen müssen
mit
Stacheldraht,
und
auf der anderen Seite sind die anderen,
deren
Kinder keine Schulbildung brauchen
nur Waffenlieferungen
deren
Kinder nichts zu essen brauchen
nur Gentechnik Saatgutlieferungen,
die sie nicht bezahlen können
deren
Kinder keine Liebe brauchen
nur Ausgrenzung und
Chancenlosigkeit.
Lasst
uns Hassprediger importieren
und
Gotteskrieger exportieren,
lasst
uns die Grenzen sperren
bis
sie gesprengt werden.
Dann
kommen sie nicht mehr Zuflucht suchend,
dann
kommen sie, um endlich ihr Recht zu fordern.
Das
Recht, genauso engstirnig zu sein,
das
Recht, genauso intolerant zu sein,
das
Recht, zu definieren, wer Recht bekommt.
Ich
habe auch Angst.
Angst,
dass meine Tochter ein Kopftuch tragen muss
und
mein Sohn eine Waffe.
Aber
das sind unbestimmte Ängste vor einer unbestimmten Zukunft.
Die
Angst, die ich bislang körperlich erlebt habe,
waren
besoffene Zeltfestbesucher,
war
der Spießrutenlauf, den du als Frau auf einer Baustelle, in einer
Männerarbeitswelt durchläufst
war
die Allmachtsphantasie eines schlagenden Vaters.
Das,
was mich bis jetzt behindert hat
sind
abendländisch patriarchale Strukturen,
sind
Überbleibsel einer NS Ideologie, die wir immer noch ungefragt in uns tragen;
sind
Kleidungsvorschriften, die uns in unbequeme Schuhe stecken,
die
uns durch Push-up BHs und andere Korsette das Atmen erschweren,
sind
Ansprüche an unsere Körper, einem verfremdeten Idealbild hinterher zu hecheln.
Wir
haben unsere Missionare ausgesandt,
damit
sie von uns lernen,
was
Nächstenliebe bedeutet,
was
Barmherzigkeit bedeutet,
was
Toleranz bedeutet
-
aber wir haben’s ja auch nicht verstanden.
Wir
haben geglaubt, dass niemand zwischen den Zeilen liest.
Liebe
deinen Nächsten, wenn er so aussieht wie du.
Teile
dein Brot und deinen Mantel, wenn er so denkt wie du.
Preise
ihn selig, wenn er bleibt, wo er ist
und
schön Bitte und Danke sagt
und
nicht etwa: her damit, das gehört mir.
Lernen
Sie Geschichte, hat Kreisky einem Journalisten gesagt.
Lernen
Sie Geschichte, wenn Sie wissen wollen,
wem
wir unser Reichtum verdanken,
wem
wir unsere Demokratie verdanken,
wem
wir unser Demonstrationsrecht verdanken.
Unser
Demonstrationsrecht für Intoleranz.
Also
gehen wir auf die Straße
und
zünden ein Licht für die Wahrheit an,
auch
wenn wir sie bei Tageslicht am Marktplatz nicht finden.
Schöner, besinnlicher Text, muß ich sagen. Und auch, Frohe Weihnachten bzw. Uallahu akbar!
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