Eine aktuelle Krippengeschichte
Der "Mohr von Venedig" im Stadtwappen der Gemeinde Mittenwald. Auf dem Handelsweg zwischen Venedig und Augsburg gelegen, da hatte man noch nie Vorurteile gegenüber Fremden. (Anm. Redaktion) |
von Reinhard Lackinger
Mutti freut
sich über die Weihnachtsbotschaften die sie eben ausgehändigt kriegt. Das
Leuchten ihrer Augen und ihre roten Wangen bezeugen das.
“Persönliche
Schreiben werden immer seltener”, sagt sie. Dabei betrachtet sie mit besonderem
Interesse das Weihnachtsbillet, das uns mein Onkel Hans geschickt hat.
Mutti sagt,
ich soll mich zu ihr setzen.
“Schau”,
sagt sie. Die vor uns liegende Karte zeigt die Weihnachtskrippe von Grafendorf.
Mutti
erklärt mir die Figuren rund um das Heilige Paar mit dem Chistkind. Dabei wirft
sie einen fragenden Seitenblick auf Vati, der die Zeitung liest.
Vati geht nie mit uns in die Kirche. Ab und zu sagt er, Religion sei gut für die Erziehung der Kinder. Damit bin ich gemeint. Das heisst, er habe nichts dagegen wenn ich mit Mutti der Heiligen Messe beiwohne.
Vati geht nie mit uns in die Kirche. Ab und zu sagt er, Religion sei gut für die Erziehung der Kinder. Damit bin ich gemeint. Das heisst, er habe nichts dagegen wenn ich mit Mutti der Heiligen Messe beiwohne.
Mutti weiss
dass ich Weihnachtskrippen mag. Wir haben hier zu Hause auch eine. Jedes Jahr
holt Vati am Heiligen Abend die Pappschachtel mit den Figuren aus dem Keller
und stellt die Krippe unter den Christbaum.
Wie Mutti,
kenne auch ich längst alle Krippenfiguren. Dennoch vergewissere ich mich immer
wieder ob diesmal nicht ein Herbergsbesitzer darunter ist. Ich zähle sogar die
Anzahl der Schafe und Hirten.
Die
Grusskarte mit der Weihnachtskrippe aus Grafendorf zeigt Figuren, die während
des Advents noch nicht zur Gruppe gehören. Die Heiligen Drei Könige knien vor
der Krippe und hinter ihren Geschenken.
Die Verspätung
der drei Weisen ist mir ein Rätsel! Warum haben Kaspar, Melchior und
Balthasar just König Herodes nach dem Weg fragen müssen? Hätte sie der Stern
von Bethlehem nicht direkt zum Geburtsort Christi geführt? Was haben sich die
Intellektuellen von jenem grausamen Machthaber erwartet?
Ein Umweg über Jerusalem, der ihnen zwei Wochen Reisezeit kostete und tausenden Neugeborenen das Leben.
Ein Umweg über Jerusalem, der ihnen zwei Wochen Reisezeit kostete und tausenden Neugeborenen das Leben.
Während
Mutti von der vielen Arbeit spricht, die so eine Weihnachtskrippe beansprucht,
wird mein Gesichtssinn vom Antlitz des dunkelhäutigen Magiers angezogen. Von
seiner Physiognomie sind nur die Augen und die dicken hellen Lippen zu sehen.
Er erinnert mich an den Zeigungsverkäufer am Grazer Hauptplatz. Als wir
unlängst in einem Laden der Sporgasse Marzipan einkauften, stand er da an der
Ecke zur Sackstraße. Ich sage zu Mutti dass König Balthazar eigentlich und
genau genommen aussieht wie jene Opfer der nordamerikanischen Polizei, von
denen in letzter Zeit im Fernsehen die Rede ist
Irgendwie erinnert mich der Mohr auch an die Palestinenser vom Gazastreifen, erlaube ich mir hinzuzufügen. Bethlehem und Jerusalem liegen ja auch nicht mehr weit entfernt.
Animiert und angespornt durch Muttis rote Wangen erdreiste ich mich zu behaupten dass ich mir König Herodes wie Benjamin Netanyahu vorstelle.
Irgendwie erinnert mich der Mohr auch an die Palestinenser vom Gazastreifen, erlaube ich mir hinzuzufügen. Bethlehem und Jerusalem liegen ja auch nicht mehr weit entfernt.
Animiert und angespornt durch Muttis rote Wangen erdreiste ich mich zu behaupten dass ich mir König Herodes wie Benjamin Netanyahu vorstelle.
Da senkt
auch schon Vati die Zeitung und schaut mich mit ernstem Gesicht an.
Kein Wunder! Vati war nie gut auf die Schwarzen zu sprechen! Auch wenn die Schwarzen von seiner Politisiererei keine Mohren sind.
Kein Wunder! Vati war nie gut auf die Schwarzen zu sprechen! Auch wenn die Schwarzen von seiner Politisiererei keine Mohren sind.
Da sagt Vati
zu Mutti dass er von nun an daran zweifle ob Religion und Weihnachtskrippen
weiterhin gut wären für die Erziehung der Kinder.
Salvador 8.
Dezember 2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen