Samstag, 23. Mai 2015

Der aufrichtige Kapitalismus des Metallgorillas



Poeme von Michael Ahrenz, Fotografien von Hansgert Lampers
Mit einem Vorwort von Hermann Peter Piwitt

Buchvorstellung von Hans Bäck

Lyriker sind dafür bekannt, dass sie für ihre Bücher oft Titel wählen, an denen man nicht vorbeikommt – was ja wohl einen Grund haben sollte. Michael Ahrenz ist da ja keine Ausnahme. So benannte er ja schon seine legendäre Kulturzeitschrift „der Mongole wartet“ und nun seinen Band mit „Poemen“ eben mit dem o. a. Titel.
Ja, an dem Titel kommt man nicht so leicht vorbei. Da stutzt man, blättert auf, liest einmal, betrachtet die s/w Fotos, stutzt wieder, legt den Band einmal zur Seite. Doch halt, da war ja etwas, nimmt wieder auf, blättert vor, zurück – wo habe ich zuletzt gelesen? Findet wieder Neues, dann packt einen die Neugier und man hört nicht mehr auf. Was für eine Poesie tut sich da auf! Da kommt Michael Ahrenz, ein gebürtiger Berliner, der nun in Bochum lebt.
In Bochum! Oh Gott, in Bochum! Klischee: eine seelenlose Industriestadt im Ruhrpott die besten Zeiten schon lange vorbei und nun kommt da aus dieser Stadt Lyrik! Und was für eine Lyrik! Da sucht man vergeblich nach der heilen Welt der Hobbyliteraten, die noch bei Eichendorff, Hölderlin, Lenau (bestenfalls) hängen geblieben sind. Da schildert einer mit einer Sprache, die donnert, bebt und zeitgleich flüstert, raunt. Was wird geschildert? Man frage nie bei einem Kunstwerk, was soll es bedeuten, darstellen? Man mache sich selber sein Bild, seinen Reim. Und das fordert Ahrenz vom Leser. Ja, wie es in einer Besprechung schon hieß: „eine im besten Sinne unromantische Poesie in der Tradition des Realismus.“ Nüchterne Kommentare, als Österreicher möchte man gerne sagen: fast in der Tradition eines H.C. Artmann (“Med ana schwoazzn dint“ – fia n pjotr):
kein Anruf/keine Post/kein Besuch/niemand/nichts/leck mich/ es geht los“
Ein anderer unglaublich lyrischer Text „...der Blick/aus dem Fenster/wir könnten/der Nacht/den Krieg erklären,/fragen sie dann/aber doch lieber,/wer oder was/wir eigentlich sind.“  Es würde zu weit führen, all diese Kostbarkeiten zu zitieren, außerdem sollte ja zum Kauf des Buches angeregt werden, nein nicht angeregt: aufgefordert! Dringend aufgefordert!
Noch ein Wort zu den Fotografien von Hansgert Lampers. Da haben sich zwei gefunden, die gemeinsam ein Werk geschaffen haben, das vollkommen übereinstimmt. Natürlich, s/w Fotos heute in einer Welt die gar nicht bunt und schrill und schreiend genug sein kann, sind schon deswegen fast ein Anachronismus. Aber nur fast, den die Welt wie sie Lambers abbildet, hat er ja vorgefunden, sie ist ja nicht gestellt oder inszeniert, ebenso wenig wie Ahrenz’ Gedichte geschönt sind.
Michael Ahrenz, seit vielen Jahren geschätzter Dichter im „Reibeisen“, lebt als freier Autor in Bochum und es ist uns als Leser zu wünschen, noch viele „Poeme“ dieser Art zu bekommen, doch Halt: das wäre nicht mehr  der Ahrenz: Es wird uns mit dem nächsten Werk sicher wieder mit Neuem in Sprache, Rhythmus und Ausdruck überraschen. Man vergleiche nur die Poeme dieses Bandes mit den Beiträgen in den „Reibeisen“ der vergangenen Jahre – es ist immer ein anderer, ein überraschender Ahrenz!

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