Freitag, 15. Mai 2015

Die wunderbaren Abenteuer des Liebesgottes



Heitere Variationen über ein Thema von Platon

von Karl Plepelits

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Als auf dem vielgipfeligen Olymp die Göttin Aphrodite das Licht der Welt erblickte, wurde dieses glückselige Ereignis im Palast ihres Vaters Zeus mit einem Festmahl ohnegleichen gefeiert. Fast alle Unsterblichen nahmen daran teil, unter ihnen der göttliche Reichtum, nicht aber, bescheiden, wie sie ist, die göttliche Armut. Das Fest war schon zu Ende gegangen, da wagte diese sich zumindest bis zum Eingang des Palastes, um von den herausströmenden Gästen Brosamen zu erbetteln.

Bei weitem nicht so bescheiden ist der Reichtum. Er kennt kein Maß im Dünkel, kein Maß im Essen, kein Maß im Trinken. Und darum war er mittlerweile nicht nur mehr als satt, sondern auch voll des süßen Nektars. Ohne der bettelnden Armut Beachtung zu schenken, wankte er an ihr vorbei, lenkte seine Schritte in den von betäubendem Blütenduft erfüllten Garten des Zeuspalastes und warf sich hinter einer der zu Ehren des Götterkindes aufgeblühten Rosenhecken ins weiche Gras, um seinen Rausch auszuschlafen. Dort, so hoffte er, würde ihn niemand sehen.

Ihn sah jedoch die Armut. Empört über seine Hartherzigkeit und zugleich angezogen von seiner stattlichen Gestalt, war sie ihm nachgeschlichen. Sie sagte sich: Er ist reich. Ich bin arm. Ich will ein Kind von ihm. Es soll Arm und Reich ausgleichen.

Sie legte sich zu ihm, schmiegte sich an ihn. Er erwachte, spürte ihren wohlriechenden Atem, ihren weichen weiblichen Körper, enthüllte sie, enthüllte sich selbst, erkannte sie. Sie gab sich hin und wurde schwanger, und des Göttervaters Segen ruhte auf ihrem Kind.

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