von Ferdinand
Planegger
Du spielst selbstvergessen mit
deinen Steinen am Rinnstein vor dem Haus. Plötzlich steht Herr Tuttner vor dir,
dein erster Klassenlehrer in der Volksschule. Du magst ihn, er ist immer freundlich
und mag dich auch, das spürst du. Er fragte dich: „Fährst du nicht mit, heute
ist doch unser Schulausflug zum Grünen See?“, sprachlos zucken deine Schultern.
„Wo ist denn deine Mutter?“, fragt er dich. Du kannst nicht reden, weil das
beim tapferen Zurückhalten von Tränen nicht geht; zeigst nur mit der Hand ins
Innere der alten Hütte. Dein Lehrer geht voraus und spricht mit deiner Mutter.
Man kann ihr ansehen, dass sie sich schämt, weil sie den kleinen Betrag für den
Ausflug nicht aufbringen kann. „Ach was, das kriegen wir schon!“ sagt Herr
Tuttner, schnappt dich bei der Hand und läuft mit mir zum wartenden Postautobus.
Da stehst du nun, mit kurzer Lederhose und verwaschenem Leibchen, barfuß. Der
Autobus fährt los und du kannst dich über Streicheleinheiten von den Müttern deiner
Mitschüler freuen. Dein blonder Haarschopf wird liebevoll zerzaust, deine Kameraden
können sich kaum einigen, wer dir mehr Bonbons schenken darf. Es tut dir gut,
du spürst eine herzliche Zuneigung. Und doch entsteht so etwas wie Distanz in dir,
zum ersten Mal in deinem Leben fühlst du dich an den Rand gedrängt. Jetzt bist du
der „Arme“ in der Klasse. Du fühlst dich gar nicht so arm, wie die dich sehen;
erst ihre Großzügigkeit macht aus dir den Bedürftigen. Das größte Geschenk ist
ohnehin die Fahrt mit dem Postauto. Der Chauffeur betätigt nur für euch Buben
das Posthorn. Trari-Trara, die Post ist da! Wunderbar. In viel zu kurzer Fahrzeit
erreicht ihr euer Ziel. Staunend stehst du vor steil aufragenden Felswänden.
Dunkle Wälder säumen die steilen Ufer des Grünen Sees im Hintergrund. Vor dir tut
sich eine prächtige Landschaft auf. In den Moospolstern lässt es sich
vorzüglich barfuß gehen. Mütter breiten
Decken aus, öffnen Proviantdosen. Beim Anblick von Eiern, Schinken und Käse
läuft dir das Wasser im Mund zusammen. Wieder wirst du eingeladen und hast mehr
zu essen als je zuvor. Jetzt laufen sie ins Wasser und fordern dich auf mit
ihnen zu baden. Das würdest du auch gerne tun, leider kannst du nicht, denn du
hast unter deiner Ledernen keine Unterhose an. Das muss unbedingt dein
Geheimnis bleiben, es hätte dich womöglich noch ärmer aussehen lassen. Schade,
es war so ein schöner Tag.
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