Samstag, 2. Mai 2015

Schulausflug



von Ferdinand Planegger
 Du spielst selbstvergessen mit deinen Steinen am Rinnstein vor dem Haus. Plötzlich steht Herr Tuttner vor dir, dein erster Klassenlehrer in der Volksschule. Du magst ihn, er ist immer freundlich und mag dich auch, das spürst du. Er fragte dich: „Fährst du nicht mit, heute ist doch unser Schulausflug zum Grünen See?“, sprachlos zucken deine Schultern. „Wo ist denn deine Mutter?“, fragt er dich. Du kannst nicht reden, weil das beim tapferen Zurückhalten von Tränen nicht geht; zeigst nur mit der Hand ins Innere der alten Hütte. Dein Lehrer geht voraus und spricht mit deiner Mutter. Man kann ihr ansehen, dass sie sich schämt, weil sie den kleinen Betrag für den Ausflug nicht aufbringen kann. „Ach was, das kriegen wir schon!“ sagt Herr Tuttner, schnappt dich bei der Hand und läuft mit mir zum wartenden Postautobus. Da stehst du nun, mit kurzer Lederhose und verwaschenem Leibchen, barfuß. Der Autobus fährt los und du kannst dich über Streicheleinheiten von den Müttern deiner Mitschüler freuen. Dein blonder Haarschopf wird liebevoll zerzaust, deine Kameraden können sich kaum einigen, wer dir mehr Bonbons schenken darf. Es tut dir gut, du spürst eine herzliche Zuneigung. Und doch entsteht so etwas wie Distanz in dir, zum ersten Mal in deinem Leben fühlst du dich an den Rand gedrängt. Jetzt bist du der „Arme“ in der Klasse. Du fühlst dich gar nicht so arm, wie die dich sehen; erst ihre Großzügigkeit macht aus dir den Bedürftigen. Das größte Geschenk ist ohnehin die Fahrt mit dem Postauto. Der Chauffeur betätigt nur für euch Buben das Posthorn. Trari-Trara, die Post ist da! Wunderbar. In viel zu kurzer Fahrzeit erreicht ihr euer Ziel. Staunend stehst du vor steil aufragenden Felswänden. Dunkle Wälder säumen die steilen Ufer des Grünen Sees im Hintergrund. Vor dir tut sich eine prächtige Landschaft auf. In den Moospolstern lässt es sich vorzüglich barfuß gehen.  Mütter breiten Decken aus, öffnen Proviantdosen. Beim Anblick von Eiern, Schinken und Käse läuft dir das Wasser im Mund zusammen. Wieder wirst du eingeladen und hast mehr zu essen als je zuvor. Jetzt laufen sie ins Wasser und fordern dich auf mit ihnen zu baden. Das würdest du auch gerne tun, leider kannst du nicht, denn du hast unter deiner Ledernen keine Unterhose an. Das muss unbedingt dein Geheimnis bleiben, es hätte dich womöglich noch ärmer aussehen lassen. Schade, es war so ein schöner Tag.

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