Sonntag, 30. Juli 2017

Ivo Ledergerber: "Von der Liebe"

Buchbesprechung

Waldgut Verlag CH 8500 Frauenfeld
ISBN 978-3-03740-112-5



Ich mag Gedichte.
Ich mag Gedichte, wenn sie in schön gearbeiteten Büchern aufscheinen.
Ich mag Gedichte, wenn sie von der Liebe sprechen.
Ich mag Gedichte, wenn sie den Vollmond beschwören.
Ich mag Gedichte, wenn sie in einem schmalen Band wir dem vorliegenden verlegt werden.
Dann kann es schon einmal sein, dass ich mir denke, da gibt es irgendwo in der Schweiz einen Verlag, der Gedichte im Handpressendruck und Fadenheftung herausgibt, der sich mit Sorgfalt der Umschlaggestaltung widmet, dann könnte es schon einmal sein, dass ich bei einem oder anderem Gedicht ein Auge zudrücke.
Aber, wenn ich den Gedichtband von Ivo Ledergerber aus dem Waldgut Verlag in der Hand habe, dann ist meine Zufriedenheit vollkommen. Da stören keine Satzfehler, da stören keine blöden, unnötigen Grafiken am Umschlag, da ist einerseits das vollendete, gut gemachte Gedicht, und anderseits eine handwerkliche Gestaltung, die man heute suchen muss. Glücklich ein Dichter, der für seine Gedichte einen Verlag findet, der mit solcher Sorgfalt und Respekt vor dem Text an die Arbeit geht.

Da ist nun die Einführung schon länger geworden, als die gesamte Rezension?
Nein, liebe Leser! Es ist noch nicht zu Ende. Da warten Köstlichkeiten und auch die eine oder andere Kostbarkeit auf dich! Wenn beispielsweise genau im ersten Gedicht der Torso als die Leere die großen der Gesten der Peinlichkeit entlarvt. Oder wenn in den folgenden, vielen Liebesgedichte jede Peinlichkeit ausgeklammert ist. Oder, Ist es nicht peinlich, wenn sich ältere Menschen ihre Liebe gestehen? Ist es nicht peinlich, wenn das Clementinengefühl am Gaumen Gewöhnliches hinterlässt, weil es keine Mandarine war?
Ist es nicht peinlich, wenn dir gesagt wird, dass du bald alt, aber immer noch schön bist, besonders, wenn du entspannt liegst? Nein, das ist nicht peinlich, das ist schön!

Kann man von den wollenen Strümpfen schreiben und den scheußlichen Röcken, den weißen Socken, Lachsdessous, wenn man schon älter ist , als es unsere Eltern waren?

Man kann alles, wie sagte schon Erich Fried: Es ist, was es ist, sagte die Liebe!

„Anzurufen
hat keinen Sinn,
sie ist nicht dort.
Wo soll nun hin,
dass ich sie liebe,
sie hat keinen Anrufbeantworter,
aber jetzt, genau jetzt,
möchte ich ihr sagen
ich mag dich sehr,
ich muss es ihr sagen,
genau jetzt!“

Ich könnte noch Vieles zitieren, doch soll das Büchlein ja gelesen, gekauft werden. Ich werde daher keine weiteren Beispiele mehr geben, ich möchte aufmerksam machen, lieber Leser, da gibt es etwas, das es so eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Natürlich, es gibt moderne Lyrik, auch moderne Liebeslyrik, sogar „modernere“, aber verzeihen Sie, es ist schön, so gute und im besten Sinne „altmodische“ Gedichte voll Farben, Ausdruck und Können zu lesen.
Ivo Ledergerber, Schweizer, Autor vieler Bücher, studierte Theologie, Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaften und arbeitete auch als Mittelschullehrer. Ein vielsprachiger Autor mit Kontakten zu Dichtern in Mazedonien, dem Kosovo, Albanien, Italien, den Maghreb, Spanien, Frankreich und Polen vielleicht auch bald zu Österreich, wenn dieser Gedichtband auch hierzulande seine begeisterten Leser finden wird.



Hans Bäck
Europa Literaturkreis Kapfenberg


Sonntag, 23. Juli 2017

Peter Miniböck: „Das Bukranion“ eine Niederschrift



Buchbesprechung:

 edition libica ISBN978-3-903137-04-2
 
Ich gebe zu, ich musste nachschlagen. Nun ja, ich habe gefunden, und außerdem ist es auch auf Seite 3 erläutert. Gut, soll ich nun den Leser neugierig machen und ihn selber suchen lassen, was es mit dem Titel auf sich hat?
Ja, lieber Leser, suche und finde selbst heraus, was damit gemeint ist und vor allem: finde selbst heraus, wohin uns der Autor da führen will. Er legt Spuren aus, denen man nachgehen kann, um dann vielleicht hinzufinden. Da wird im Vorwort Cioran zitiert, mit einem Satz der so allgemeingültig ist, dass es fast schon abgedroschen ist, davon überhaupt zu reden/schreiben. Nur, das ändert nichts an seiner Gültigkeit: „ein Buch ist nur schöpferisch und von Dauer, wenn es mehrere unterschiedliche Deutungen zulässt. Die Werke, die man eindeutig definieren kann, sind dem Wesen nach vergänglich. Ein Werk lebt dank der Missverständnisse, die es hervorruft“ (Cioran, Cashiers S 53).
Ich persönlich zitiere in solchen Fragen gerne Paul Klee, weitaus kürzer aber um nichts exakter: „Kunst soll nicht Sichtbares darstellen, sondern sichtbar machen“
Soweit ein Versuch, sich dem „Bukranion“ anzunähern. Doch bevor ich mich in die Lektüre stürzen konnte, nein, mit der Lesearbeit beginnen konnte, stolperte ich, ein „vermeintliches“ Ärgernis. Im sehr schön gemachten Buch (gute Handwerksarbeit der Druckerei und Buchbinderei!) dachte ich gleich am Anfang einen ärgerlicher Fehler zu finden: Da wird ein Satz aus einem Essay von Hugo von Hofmannsthal aus dem Jahre 1987 zitiert, da war der Herr schon lange tot und zwei Zeilen später wird auf einem Vortrag des Dichters im Jahre 1896 verwiesen. Das dürfte nicht passieren. Ich weiß schon, man achtet beim Korrekturlesen auf alles Mögliche, Rechtschreibung, Satzzeichen, Satzbildung und was weiß ich noch alles, da gehen Jahreszahlen gerne einmal daneben – trotzdem ärgerlich. So dachte ich verärgert: aber siehe da: der Autor und der Verlag haben mich korrigiert: Der Essayband ist im Jahre 1987 erschienen – also ich entschuldige mich für das in diesem Fall zu flüchtige Lesen!
Nun aber zum Buch. Peter Miniböck legt uns Spuren an. Weh dem, der diesen Spuren leichtgläubig folgt. Bald führt ihn die GROSSE STRASSE DER STADT hinaus, dann wieder hinein oder du gleitest mit der Montgolfiere langsam diese entlang, nicht ohne den Hinweis anzubringen, dass du auf solche Art niemals in den Katakomben ankommen wirst. Wer zeigt Möglichkeiten auf, den eigenen Standort zu bestimmen, um in DIE FERNE zu schauen, und so DIE WEITE WELT zu sich heran zu holen... den EIGENEN STANDPUNKT akkurat zu bestimmen? ... Gleichzeitig bietet der Autor Alternativen an, denn „von der Existenz des BUKRANIONS nichts ahnen, weil ...(Seite 5) weil Gedichte über den Mond (was eigentlich? Schon geschrieben sind?)
Die Niederschrift, so die Klassifizierung des Werkes durch den Autor, gliedert sich in jeweils XXII Protokollauszüge („Aus den Protokollen“) und Anmerkungen die sich „Aus den Aufzeichnungen“ ergeben. Diese sind teilweise äußerst prägnant, teilweise sehr ausschweifend – eben, wie es der Inhalt der Protokolle oder der gefundenen Aufzeichnungen verlangt. Wobei diese nach der Angabe auf Seite 76 nur einen Teil darstellen, da insgesamt vierzig Aufzeichnungen gefunden wurden. Diese Zahl wird dem Leser nicht so ohne weiteres hingeworfen, der Autor macht sich die Mühe, diese Symbolzahl auch zu erläutern. Man dankt dafür.
Im Schlussteil des Buches (Seite 78) legt der Autor eine neuerliche Spur, die dazu verführt, nochmals von Vorne zu beginnen: „Wir haben nicht, was uns gehört, nur Worte, wenigstens die. ...“
„Worte, eben, sonst nichts.“

Peter Miniböck ein produktiver Autor, der regelmäßig mit Neuerscheinungen auf sich aufmerksam macht. Wenn er, in Eigendefinition, u. a. auch als „kultureller Nahversorger“ tätig ist und so daran arbeitet das „Unwahrscheinliche, als das Wahrscheinliche“ sichtbar zu machen, darzustellen, nahezubringen, dann ist diese Buch, diese Niederschrift ein zwar eigenwilliger, aber wichtiger Beitrag dazu.

Hans Bäck, Kapfenberg