Sonntag, 22. Februar 2015

Steine können reden



von Manfred Kolb           

Bei einer Wanderung am Strand von Groß Schwansee entdeckte ich am Meeressaum verweilend ein Pärchen, das angestrengt auf das Meer hinausblickte. Sie mochten beide um die 50 Jahre alt sein, von hagerer Gestalt, für eine Strandwanderung etwas zu elegant gekleidet, also offensichtlich Gäste des Schlosshotels Groß Schwansee.
Ich gesellte mich zu ihnen und blickte wie sie angestrengt auf das Meer hinaus. Nach einer Weile sagte ich leise vor mich hin: „herrlich, dass die Steine heute Abend endlich wieder reden. Das haben sie lange nicht mehr getan“  und zu meinen Stehnachbarn gewandt: „hören Sie das auch?“
Die beiden reagierten nicht gleich. Aber nach einem kurzen Augenblick wandte sich der Mann mir zu und sagte, sichtlich irritiert von meiner Ansprache: „was sagten Sie eben? Dass die Steine reden? Ich höre nichts.“
„Doch, doch“, hakte ich nach: „sie sprechen zu Ihnen. Hören Sie doch einmal genau hin. Die Strandsteine vor ihren Füßen reden.“

Auch die Begleiterin des Mannes hatte sich vom Betrachten der Dünung gelöst und wandte sich mir zu:“ was sagten Sie da zu meinem Mann? Sie hören Steine reden? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“
„Die Steine können reden“, beharrte ich. „Sie müssen schon genau hinhorchen: dieser rote Porphyr mit Quarz-Einsprenglingen vor Ihren Füßen zum Beispiel redet ganz deutlich.“
Und mit diesen Worten verfiel ich in eine Pose angestrengten Zuhörens.
„Was erzählen Sie denn da für einen Unsinn“, sprach die Dame weiter, „Steine können gar nicht reden. Das habe ich ja noch nie gehört! Ich höre jedenfalls nichts. Aber wenn ihre Steine mit Ihnen sprechen, was sagen die denn so?“

„Das sind nicht meine Steine“, wies ich sie zurecht. „Aber was Sie von sich geben, können auch Sie hören. Steine sprechen übrigens zu jedem Menschen in einer ihm verständlichen Sprache! Warum sie das tun, kann ich Ihnen nicht sagen“, setzte ich das Gespräch fort, „aber sie reden. Nicht immer, aber an manchen Abenden, immer nur an Abenden, so wie heute.“
„Und was sagen sie so gerade jetzt, die Steine?“, fragte mich der Mann mit einem höhnischen Tonfall in der Stimme.
„Ich weiß nicht, was Steine zu Ihnen sagen. Ich kann nur hören, was die Steine mir mitteilen. Sie freuen sich über die schöne Abendstimmung und das sanfte Schlagen der Wellen an den Strand. Zu meiner Freundin sprechen sie übrigens ganz anders, wenn sie mit ihr reden.“
„Und da dachten sie, dass die Seine auch mit uns kommunizieren“, mischte sich die Dame wieder ein.
„Natürlich“, antwortete ich, „das ist so ihre Art.“
„Sprechen denn alle Steine?“, fragte mich der Mann listig.
„Nein“, antwortete ich. „Am gesprächigsten sind die Porphyre und die Unakite, das sind die rot gesprenkelten und die dunkelbraunen mit kristallinen rhombenförmgen Quarz-Einschlüssen, die man auch Konglomerate nennt.“
„Und woher wissen Sie das alles?“, fragte mich der Mann voll unüberhör-barem Spott in der Stimme.
„Ich bin Geologe“, gab ich zur Antwort, „da lernt man viel über Steine, ihre Zusammensetzung und ihre Fähigkeiten. Jede Art von Strandsteinen, Granite, Vulkanite, Porphyre, Unakite, Quarzite, Kalcite, Feuersteine, Sandsteine haben bei ihrer Entstehung ihre eigene Sprache mit bekommen. Diese Steine hier am Strand sind mit den letzten vier großen Eiszeiten der Erdgeschichte aus den heutigen skandinavischen Ländern mit Gletschern und Meeresströmungen als sogenanntes Geschiebe auch bis an den Strand von nach Groß Schwansee gelangt. Wir Menschen können Sie verstehen und sie uns wahrscheinlich auch, wenn Sie zu uns sprechen. Versuchen Sie es doch noch einmal. Ich wiederhole es gern:: Sie müssen nur ganz konzentriert hinhören!“
„Sie spinnen doch“, fuhr mich der Mann an, „so einen Blödsinn habe ich noch nie gehört!“
„Ich halte Ihnen einen wissenschaftlich fundierten Vortrag“, antwortete ich beleidigt, „und Sie ziehen das ins Lächerliche. Hören Sie doch endlich einmal hin! Ich versuche Ihnen schon die ganze Zeit klar zu machen, dass Steine nicht von stummer anorganische Natur sind, sondern dass sie Leben in sich tragen, dass sie gesprächig sind, sich sogar untereinander über ihre Herkunftsorte und Wege durch das Meer verständigen und zu uns Menschen reden können. Nicht zu allen, sondern nur zu den Feinfühligen und Sensiblen!“
Mit diesen Worten ließ ich die Ignoranten stehen.
Im weg Gehen sah ich aus den Augenwinkeln, dass der Mann sich verstohlen zwei größere Strandsteine in die Umhängetasche steckte.
Ich lächelte. Es macht mir einfach Spaß, Menschen mit scheinbar unlösbaren Situationen zu konfrontieren.

Sonntag, 15. Februar 2015

Sonntagstext - 15. Februar 2015

Mangels Texte wird die Rubrik "Sonntagstext" bis auf weiteres eingestellt.

Die Blogredaktion
R.Mermi

Sonntag, 1. Februar 2015

Sonntagstext - 1. Februar 2015



ausblick zwischendurch

wenn es auch gärt
in deiner welt
will ich leben
um die wette mit dir
bis alles sich
aus allem
erfüllt

es haben die jahre sich so zugetragen
im verschieden gelebten gemeinsamen sein
ist immer neu uns ein wachsen geschehen
und die welt blieb uns nicht still

das ist wenn die wege
sich kreuzen und
wieder einen
zur ihrer zeit
und darüber
uns gemeinsam
ein lieben geschieht
wo welten sich
zusammenfügen

ich möcht immer wieder aufs neue
mit dir dein leben verstehen
und meins dir verstehen geben
was du bist und was ich
und wir auf weite ewigkeiten

es gärt
denn uns
verspricht
sich wieder
ein neuer wein 

Bernd Pol (September 2014)

Für den Februar 2015 vorgemerkt

"Klappentext"

Der "Klappentext", das Kulturmagazin der Stadt München für den Februar 2015 ist erschienen. Den Klappentext zum herunterladen findet Ihr hier. Empfehlenswert - nicht nur für die Münchner Szene!


"literaturcafé" - Textkritik

Zugegeben etwas versteckt findet Ihr in der rechten Randleiste des Blogs (weiter unten) die Info-Box des Literaturcafés. Das Prädikat "sehr empfehlenswert" darf für die Textkritiken unter der Rubrik "maltes meinung" vergeben werden. Die aktuelle Textkritik findet Ihr hier.

Sonntagstexte

Texte für unsere Rubrik "Sonntagstext" werden gerne entgegen genommen. Ich bitte um Euer Verständnis, dass die Texte vor Veröffentlichung von mir durchgesehen werden, ob diese für den Blog geeignet sind oder nicht. Eine Benachrichtigung, ob Euer Text zur Veröffentlichung berücksichtigt wird erfolgt nicht. 
Für die nächsten drei Monate (bis einschl. April) werden Texte zum Thema: "Ausbeutungsmentalität der Modeindustrie" gerne entgegen genommen.

Euer
Reinhard Mermi
(Blog-Redaktion)