Sonntag, 12. Februar 2017

Sonntagstext: Weil Fasching ist (aber nicht nur deswegen)



von Hans Bäck

„Sind deine Äpfel bei Vollmond oder abnehmenden Mond gepflückt?“ fragte ich meinen langjährigen Apfelbauern in Pöllau.
„Bist deppert? Ich bin froh, dass ich in diesem blödem Jahr (es war das Erntejahr 2016: Schnee auf den Blüten, Spätfröste usw) überhaupt ein paar an den Bäumen habe!“
„Na ja, ich meine ja nur, denn da gibt es den Mondkalender, wenn man nach dem geht, dann ist alles ganz anders!“
„Ja, ich könnte dann auch einen höheren Preis verlangen,  könnte mir das Kühlhaus ersparen, und was weiß ich noch alles!“
„Du horch zu, ich habe bei meinem letzten Besuch in Hamburg im „Hamburger Abendblatt“ gelesen, dass am Markt in Ottensen Äpfel, gepflückt nach den Mondphasen, angeboten wurden. Und weil das auch am Stand angeschrieben war, konnte der Verkäufer dort den vierfachen Preis verlangen. Die Urteile der Käufer gingen von einem  ‚Traumgeschmack’ bis ‚Hokuspokus’ und ‚Etikettenschwindel’. Einer meinte noch  im Vorbeigehen, wenn die Äpfel noch von sieben Jungfrauen gepflückt wären, dann würde er sie kaufen.“
„Was willst denn“ meinte mein biederer Oststeirer, „es gibt ja auch das Mineralwasser mit Mondscheinabfüllung, da kannst auch eine Flasche Sekt auch kaufen, so teuer ist das.“
„Ja, aber dafür wunderbar bekömmlich und du bekommst dann auf vierundzwanzig Stunden keinen Durst mehr.“
„Und wenn der Bauer sein Schwein zu Klängen von Mozartmusik verwurschtet, schmeckt sie unvergleichlich besser und hält dreimal so lange – bevor sie schimmlig wird.“
„Echt? Ich habe gelesen,  beim Friseur musst du auch achten, welche Mondphase gerade ist. Bei mir ist das besonders wichtig, denn wenn ich die falsche Phase erwische, dann wächst überhaupt nix mehr nach und ich habe eine Totalglatze! Sonst kanns mir passieren, bei der anderen Phase, dass ich nach 6 Wochen schon wieder zum Friseur gehen müsste.“
„Bei uns im Dorf, da ist einer“ so antwortete mein Obstbauer, „der auch sein Brennholz unter Berücksichtigung der Mondphasen schlägert. Wenn er das bei Neumond macht, dann brennen die Scheiter im Kachelofen viel länger!“
Wir haben uns geeinigt, dass ich weiterhin meine Äpfel bei ihm kaufe, egal, wann er sie pflückt. Ob da der Mond über den Masenberg steht oder gerade untergegangen ist, ob es Neumond oder Vollmond ist. Hauptsache, sie sind gut und saftig (echt steirisch eben) und nicht zu sehr gespritzt, sodass es noch ein Apfel ist, der auch nach Apfel schmeckt.
„Du, wie ist denn das mit der Liebe? Sollen wir da auch nach dem Mond gehen?“
„Weißt was, das ist egal, seien wir froh, dass wir ...“
„Ja, hast eh recht“


Samstag, 4. Februar 2017

Rezension: „Das Bukranion“ eine Niederschrift - von Peter Miniböck



edition libica ISBN978-3-903137-04-2

Ich gebe zu, ich musste nachschlagen. Nun ja, ich habe gefunden, und außerdem ist es auch auf Seite 3 erläutert. Gut, soll ich nun den Leser neugierig machen und ihn selber suchen lassen, was es mit dem Titel auf sich hat?
Ja, lieber Leser, suche und finde selbst heraus, was damit gemeint ist und vor allem: finde selbst heraus, wohin uns der Autor da führen will. Er legt Spuren aus, denen man nachgehen kann, um dann vielleicht hinzufinden. Da zitiert er Cioran mit einem Satz der so allgemeingültig ist, dass es fast schon abgedroschen ist, davon überhaupt zu reden/schreiben. Nur, das ändert nichts an seiner Gültigkeit: „ein Buch ist nur schöpferisch und von Dauer, wenn es mehrere unterschiedliche Deutungen zulässt. Die Werke, die man eindeutig definieren kann, sind dem Wesen nach vergänglich. Ein Werk lebt dank der Missverständnisse, die es hervorruft“ (Cioran, Cashiers S 53).
Ich persönlich zitiere in solchen Fragen gerne Paul Klee, weitaus kürzer aber um nichts exakter: „Kunst soll nicht Sichtbares darstellen, sondern sichtbar machen“
Soweit ein Versuch, sich dem „Bukranion“ anzunähern. Doch bevor ich mich in die Lektüre stürzen konnte, nein, mit der Lesearbeit beginnen konnte, ein Ärgernis. Im ansonsten sehr schön gemachten Buch (gute Handwerksarbeit der Druckerei und Buchbinderei!) ist gleich am Anfang ein ärgerlicher Fehler. Da wird ein Satz aus einem Essay von Hugo von Hofmannsthal aus dem Jahre 1987 zitiert, da war der Herr schon lange tot und zwei Zeilen später wird auf einem Vortrag des Dichters im Jahre 1896 verwiesen. Das dürfte nicht passieren. Ich weiß schon, man achtet beim Korrekturlesen auf alles Mögliche, Rechtschreibung, Satzzeichen, Satzbildung und was weiß ich noch alles, da gehen Jahreszahlen gerne einmal daneben – trotzdem ärgerlich.
Nun aber zum Buch. Peter Miniböck legt uns Spuren an. Weh dem, der diesen Spuren leichtgläubig folgt. Bald führt ihn die GROSSE STRASSE DER STADT hinaus, dann wieder hinein oder du gleitest mit der Montgolfiere langsam diese entlang, nicht ohne den Hinweis anzubringen, dass du auf solche Art niemals in den Katakomben ankommen wirst. Wer zeigt Möglichkeiten auf, den eigenen Standort zu bestimmen, um in DIE FERNE zu schauen, und so DIE WEITE WELT zu sich heran zu holen... den EIGENEN STANDPUNKT akkurat zu bestimmen? ... Gleichzeitig bietet der Autor Alternativen an, denn „von der Existenz des BUKRANIONS nichts ahnen, weil ...(Seite 5) weil Gedichte über den Mond (was eigentlich? Schon geschrieben sind?)
Die Niederschrift, so die Klassifizierung des Werkes durch den Autor, gliedert sich in jeweils XXII Protokollauszüge („Aus den Protokollen“) und Anmerkungen die sich „Aus den Aufzeichnungen“ ergeben. Diese sind teilweise äußerst prägnant, teilweise sehr ausschweifend – eben, wie es der Inhalt der Protokolle oder der gefundenen Aufzeichnungen verlangt. Wobei diese nach der Angabe auf Seite 76 nur einen Teil darstellen, da insgesamt vierzig Aufzeichnungen gefunden wurden. Diese Zahl wird dem Leser nicht so ohne weiteres hingeworfen, der Autor macht sich die Mühe, diese Symbolzahl auch zu erläutern. Man dankt dafür.
Im Schlussteil des Buches (Seite 78) legt der Autor eine neuerliche Spur, die dazu verführt, nochmals von Vorne zu beginnen: „Wir haben nicht, was uns gehört, nur Worte, wenigstens die. ...“
„Worte, eben, sonst nichts.“

Peter Miniböck ein produktiver Autor, der regelmäßig mit Neuerscheinungen auf sich aufmerksam macht. Wenn er, in Eigendefinition, u. a. auch als „kultureller Nahversorger“ tätig ist und so daran arbeitet das „Unwahrscheinliche, als das Wahrscheinliche“ sichtbar zu machen, darzustellen, nahezubringen, dann ist diese Buch, diese Niederschrift ein zwar eigenwilliger, aber wichtiger Beitrag dazu.

Hans Bäck, Kapfenberg