Sonntag, 21. Dezember 2014

Adventskalender 2014 - 4. Adventssonntag










glückwunsch


wir alle wünschen jedem alles gute:
daß der gezielte schlag ihn just verfehle;
daß er, getroffen zwar, sichtbar nicht blute;
daß, blutend wohl, er keinesfalls verblute;
daß, falls verblutend, er nicht schmerz empfinde;
daß er, von schmerz zerfetzt, zurück zur stelle finde
wo er den ersten falschen schritt noch nicht gesetzt-
wir jeder wünschen allen alles gute
28.7.78


Ernst Jandl (1925 – 2000)

Samstag, 20. Dezember 2014

Adventskalender 2014 - 20. Advent



 

Nachrichten vom 16.12.2014

von Christine Teichmann

In Dresden demonstrieren 15.000 für Deutschland,
als hätten sie Angst, in Vergessenheit zu geraten, wenn sie nicht immer wieder betonen, was Deutschland für die Welt bedeutet
- als könnte die Welt Deutschland je vergessen…

Wir wollen nicht mehr tolerant sein, sagt einer
und ja, sage ich
lasst uns damit aufhören.
Üben wir Intoleranz,
wenden wir den Verhetzungsparagraphen an
bei jeder Stammtischrunde.
Schlucken wir nicht mehr unsere Antworten hinunter,
um die Stimmung bei der Weihnachtsfeier nicht zu stören
bei jedem rassistischem Witz,
bei jedem frauenfeindlichen Witz,
bei jedem homophoben Witz.

Üben wir uns endlich in Intoleranz
und lassen wir doch erkennen
dass   ein Mensch
            ein Mensch
            ein Mensch ist.
Sogar die, die anderen das Mensch-Sein leugnen.
Die da unbedingt eine Grenze ziehen müssen
mit Stacheldraht,
und auf der anderen Seite sind die anderen,
deren Kinder keine Schulbildung brauchen
                        nur Waffenlieferungen
deren Kinder nichts zu essen brauchen
                        nur Gentechnik Saatgutlieferungen, die sie nicht bezahlen können
deren Kinder keine Liebe brauchen
                        nur Ausgrenzung und Chancenlosigkeit.

Lasst uns Hassprediger importieren
und Gotteskrieger exportieren,
lasst uns die Grenzen sperren
bis sie gesprengt werden.
Dann kommen sie nicht mehr Zuflucht suchend,
dann kommen sie, um endlich ihr Recht zu fordern.

Das Recht, genauso engstirnig zu sein,
das Recht, genauso intolerant zu sein,
das Recht, zu definieren, wer Recht bekommt.

Ich habe auch Angst.
Angst, dass meine Tochter ein Kopftuch tragen muss
und mein Sohn eine Waffe.
Aber das sind unbestimmte Ängste vor einer unbestimmten Zukunft.
Die Angst, die ich bislang körperlich erlebt habe,
waren besoffene Zeltfestbesucher,
war der Spießrutenlauf, den du als Frau auf einer Baustelle, in einer Männerarbeitswelt durchläufst
war die Allmachtsphantasie eines schlagenden Vaters.
Das, was mich bis jetzt behindert hat
sind abendländisch patriarchale Strukturen,
sind Überbleibsel einer NS Ideologie, die wir immer noch ungefragt in uns tragen;
sind Kleidungsvorschriften, die uns in unbequeme Schuhe stecken,
die uns durch Push-up BHs und andere Korsette das Atmen erschweren,
sind Ansprüche an unsere Körper, einem verfremdeten Idealbild hinterher zu hecheln.

Wir haben unsere Missionare ausgesandt,
damit sie von uns lernen,
was Nächstenliebe bedeutet,
was Barmherzigkeit bedeutet,
was Toleranz bedeutet
- aber wir haben’s ja auch nicht verstanden.
Wir haben geglaubt, dass niemand zwischen den Zeilen liest.

Liebe deinen Nächsten, wenn er so aussieht wie du.
Teile dein Brot und deinen Mantel, wenn er so denkt wie du.
Preise ihn selig, wenn er bleibt, wo er ist
und schön Bitte und Danke sagt
und nicht etwa: her damit, das gehört mir.

Lernen Sie Geschichte, hat Kreisky einem Journalisten gesagt.
Lernen Sie Geschichte, wenn Sie wissen wollen,
wem wir unser Reichtum verdanken,
wem wir unsere Demokratie verdanken,
wem wir unser Demonstrationsrecht verdanken.
Unser Demonstrationsrecht für Intoleranz.

Also gehen wir auf die Straße
und zünden ein Licht für die Wahrheit an,
auch wenn wir sie bei Tageslicht am Marktplatz nicht finden.

Freitag, 19. Dezember 2014

Adventskalender 2014 - 19.Advent



  




  Das Fräulein stand am Meere
            Und seufzte lang und bang,
            Es rührte sie so sehre
            Der Sonnenuntergang.

            »Mein Fräulein! sein Sie munter,
            Das ist ein altes Stück;
            Hier vorne geht sie unter
            Und kehrt von hinten zurück.«


     Heinrich Heine (1797 – 1856)

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Adventskalender 2014 - 18. Advent




Z’sammansein
Textumdichtung: Richard Mösslinger


(Nach dem Kärntner Lied von Grete Komposch: „Liegt da Reif in der Fruah“)

Kimmbt die Nacht z’fruah ban Tag
ih den Zuastand net mag.
Ih han’s lang schon entdeckt,
dass mih ‘s Finstersein schreckt.

Mag die Sunn, mag is Liacht,
hoff, dass Positiv’s gschiacht,
suach die Nächn zu dir
von der Nacht bis in d‘ Früah!

Grüaßn sih alle Leut
is der Tag voller Freud,
pumpert  ‘s Herz laut und lacht,
wal is Lebm just Freud macht.

Miteinander zan geh‘n,
deis waar unhoamlih schön.
‘s gaab koan Hass und koan Streit,
mei – wia schön waar die Zeit!


(Im Originallied ist das der Jodler!)

Aber deis spült’s halt nit,
d‘ Alltag tuat da net mit,
iader macht, was er wüll,
halt’t   bei weitm net stüll!
Holdarehodaroh,
holdarehodaroh,
iader macht, was er wüll,
halt’t  net stüll!