von Hans Walter Grössinger
Wir werden „eingeteilt“ und können gar nichts dagegen tun,
außer vielleicht in ein Eremitendasein zu flüchten.
Menschen teilen ihresgleichen schon immer gerne in
Kategorien ein. Bei Bürokraten beispielsweise ist das Einordnen von Existenzen
in vorgegebene Schubladen von vitaler Bedeutung. Schließlich muss Ordnung in
den Lebensläufen der Mitbürger herrschen. Wo kämen wir den sonst hin auf
dieser sich ohnehin immer turbulenter gebärdenden Welt.
Die Versuchung liegt daher nahe, das Prinzip, welches den
Bürokratenschreibtisch in Schuss hält, auch auf die Gesellschaft mit all ihren
unterschiedlichen Leuten zu übertragen.
„Auf dieser Welt gibt es zwei Kategorien von Menschen, die
guten und die bösen“, vereinfacht Otto zynisch die Lage. Ich bemühe mich, an
einen chinesischen Denker anzuknüpfen, der manifestiert hat, man soll
menschliche Schwächen erst bei sich selbst suchen, bevor man anderen für
Verfehlungen sinnbildlich den Kopf abschlägt.
„Das ist oft leichter gedacht als getan“, sagt Otto. Damit ist
er wohl mehrheitsfähig.
Es gibt ja Zeitgenossen, die im Irrglauben verharren,
dass es für alles eine verbindliche Richtschnur gäbe, nach der sich das
Zusammenleben ordnen ließe. Besonders die Phlegmatiker geben sich zufrieden mit
einem für mich erschütternd einfachen System, welches sich in
Schwarz-Weiß-Denken erschöpft: Inländer sind gut, Ausländer böse – zum
Beispiel.
Besonders in härter werdenden Zeiten kommt gerne der grobe
Klotz zum Einsatz. Schließlich ist denken schwierig, urteilen aber einfach.
Es ist sicher eine lobenswerte Eigenschaft, jenen zu
misstrauen, die behaupten, frei von jeglichen Vorurteilen zu sein. Es mag dort
und da tatsächlich Leute geben, die ohne diese Sünde sind. Diese würden
sich aber hüten, damit zu prahlen.
Denn wenn ihnen ein solches Eigenlob über die Lippen käme,
würden sie von der Mehrheit in unserer Gesellschaft sofort wieder
eingeteilt – entweder in die Kategorien „weltfremd“ oder „scheinheilig“.
Bevor man zu rasch bei der Hand ist mit den
Einordnungen von Menschen, sollte man sich vor Augen halten, dass es unter
Umständen höhere Mächte gibt, die „Einteilungen“ für die Selbstgerechten
bereithalten.
Otto meint zu meinen Überlegungen: „Gott ist nicht mit uns,
weil er Idioten hasst“. Nun ja, es mag so sein. Trotzdem sollte man darüber
zumindest nachdenken, oder doch lieber nicht? Das bleibt jedem von uns
selber überlassen.
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