Mittwoch, 9. August 2017

Isuf Sherifi: "Die weiße Filzkappe"; Gedichte - Buchbesprechung



Isuf Sherifi
„Die weiße Filzkappe“
Gedichte
Waldgut Verlag CH 8500 Frauenfeld
ISBN 978-3-03740-118-7
€ 20,- CHF 24,-


Es traf sich ausgezeichnet, dass ich vor wenigen Tagen von einer umfassenden Erkundigungsreise in die Länder des Westbalkans zurückkehrte und vom Waldgut Verlag ein weiterer Gedichtband vorliegt. Diesmal von einem Poeten, der in Tetovo in Mazedonien geboren und zur albanischen Minderheit gehörig, Gedichte uns vorstellt. Mein Interesse war dementsprechend groß und ich begann, wie bei Gedichtbänden üblich, einmal zu blättern. Irgendwo in der Mitte anfangend, fand ich das Gedicht „Labyrinth“:
Unter der Haut des Menschen
Als warte da ein traumhaftes Meer von Tönen –
Ernährt sich der Tag mit der endlosen Weite des Herzens
Ohne aufhören zu können.

Und damit hatte mich der Dichter bereits gefangen genommen: ich konnte nicht mehr aufhören! Blätterte nach vor, zurück, blieb hängen, las nochmals, zum dritten mal, gab den Band eine Lyrikfreundin weiter  „was sagst du dazu?“ Wir waren einig, ein Traum an Gedichten, an Lyrik. Ja, es stimmt, was vor 180 Jahren geschrieben wurde: Poesie ist die Aufhebung der Beschränkungen des Lebens (Franz Grillparzer).
Damit ist dem Verlag Waldgut wieder ein Werk von durchaus europäischer Bedeutung gelungen: Die gewohnt sehr gute Machart des Buches (inklusive Druck und Bindung), das genaue Lektorat, die ausgezeichnete Übersetzung.
Es ist schwer aus der Fülle, nein es ist keine Fülle, es sind 54 Gedichte, keines zu viel, keines zu wenig. Eine hervorragende Auswahl, wobei ich mir denken kann, dass der Dichter einen großen Fundus zur Verfügung hätte – wäre das eine Hoffnung für später?

Isuf Sherifi, geboren 1967 im damals noch intakten Jugoslawien (Tetovo, Republik Mazedonien), begann in Priština zu studieren und im Zuge der Nationalitätenwirren, er schrieb albanisch und setzte sich für die Rechte der Albaner im Kosovo ein, kam er mit der serbischen Mehrheit in Konflikt wurde verhaftet. Es gelang ihm die Flucht und seither lebt er in der Schweiz, organisiert schweizer-albanische Dichtertreffen und eine Lyrikreihe, die jeweils einem Schweizer Autor gewidmet ist.

Das Buch mit den Gedichten Sharifis ist eine echte Kostbarkeit, es sind keine „lieblichen“ Gedichte, es sind Auseinandersetzungen mit den großen Fragen der Immigration (10 Variationen über Heimat), des Lebens mit einer Vergangenheit, wie im Gedicht „Emotion“ oder der Suche nach Orientierungen „Gerücht“

Schön, dass es solche Gedichtbände noch gibt!

Hans Bäck
PEN – Trieste
Im Dezember 2016

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