Montag, 25. Juli 2016

Buchbesprechung von Hans Bäck



Warten auf Beckett

Sprachminiaturen von Rudolf Kraus
(Verlagshaus Hernals, ISBN978-3-902975-37-9)


Gut, dass im Anhang Hinweise sind, wer die Personen waren/sind, welche in den Miniaturen vorkommen. So ist es auch Maturanten der österreichischen Schulen möglich zu erfahren, wer beispielsweise Wislawa Szymborska, Giordano Bruno oder Johannes Urzidil waren. Der Rezensent hatte im Jahre 2015 erlebt, dass sechs Maturanten aus fünf Klassen einer Handelsakademie mit dem Namen Rainer Maria Rilke nicht anzufangen wussten. So ist es begrüßenswert, dass auf diese Art Nachhilfeunterricht erteilt wird. Wobei zu befürchten steht, dass jene, welche die Nachhilfe brauchen würden, diese Sprachminiaturen gar nicht in die Hand bekommen.  Als nächste Befürchtung äußert der Rezensent, dass die Damen und Herren mit einem Text wie „wenn die fackel brennt/blenden die wahren heuchler/mit sanfter zunge“ gewidmet Karl Kraus auch nicht viel anfangen könnten. Na ja. Lassen wir das, das Jammern über das Niveau der österreichischen Schulbildung ist nicht Gegenstand einer Rezension eines Werkes von Rudolf Kraus.
Fünfunddreißig „Sprachminiaturen“ legt Kraus nun vor. Für Geister, Widmungen, Dedikationen, zu gedichtet und Freundschaft überdauert die Zeit (amicitia vincit horas) ist einmal eine „grobe“ Einteilung – darf man bei diesen Texten überhaupt von „grob“ schreiben oder auch nur daran denken? Aber ja, Kraus spricht aus, was es ist – beispielsweise in der Widmung an Giordano Bruno: „Unhörbar schrie er/zum himmel/aufblickend/als man ihn verbrannte. Diese Sprachminiaturen sind geschliffen, aber nicht glatt, abweisend. Geschliffen im Sinne von bearbeitet, und gerichtet. Zielgerichtet, wie es eigentlich in der Lyrik kaum mehr vorkommt. Es ist nichts im Nebel der Wörter verborgen, aber es sind wunderbare und kraftvolle Bilder welche der Dichter uns anbietet: „der schlaf hat innere augen/und mit welchem auge du dann siehst/entscheidest nicht du/etwas kommt unerwartet/unermesslich einzigartig/gespenstisch/wie ein nie erlebter/nie dagewesener/kuss (der Beginn einer „Zudichtung“ an Henry Miller).
Da haben wir schon etwas in der Hand, das einmal über die Lektüre eines Sommerabends hinaus geht.  Ein Bändchen, das man gerne liegen lassen kann, es nicht sofort in den Bücherschrank einordnen muss und immer einmal zur Hand nimmt. So an einem ruhigen Abend, mit einem Glas Wein oder im Gedanken an Vergangene, Vergangenes wie den Klub der 27.
Rudolf Kraus, kraushaarrudi auch genannt, ein höchst produktiver Autor aus Niederösterreich in Wien und Bad Fischau lebend, erfreut und überrascht immer wieder mit Miniaturen, wie er bereits einmal in einem Band angekündigt hatte: „Ein Ende ist nicht abzusehen“ Fein, lieber Kollege! Wir warten drauf!


Hans Bäck, Kapfenberg

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