Sonntag, 12. April 2015

Murnauer Blätter

zusammengestellt von
Reinhard Mermi




Der Blaue Reiter


Der russische Maler Wassiliy Kandisky tat sich leicht, seine Mal- und Lebensgefährtin Gabriele Münter zu
überzeugen: Endlich ein Schlupfwinkel für die Zweisamkeit, sechs fruchtbare Jahre lang. Heute ist die Murnauer "Russenvilla" Kunstfreunden aus aller Welt ein Begriff, als Geburtsstätte des „Blauen Reiters“ und Wiege der abstrakten Kunst.

Angeregt durch die Murnauer Landschaft und insbesondere durch die bayerische Volkskunst vollzogen zwischen 1908 und 1914 Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin, Marc und Macke den revolutionären Schritt zur expressionistischen Malerei. Gemälde
Sibirische Iris im Murnauer Moos
aus der ersten Murnauer Zeit (1908 bis 1910) zeigen den künstlerischen Umbruch der „Neuen Künstlervereinigung München“ und des „Blauen Reiters".


Am Anfang der Bewegung des "Blauen Reiters" stand, wie für die Geschichte der modernen Kunst nicht anders zu erwarten, ein Skandal. Die Ablehnung von Kandinskys großem Gemälde "Komposition 5" durch die Ausstellungsjury der "Neuen Künstlervereinigung München" führte zum Eklat. Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter und Alfred Kubin traten aus der "Neuen Künstlervereinigung München" aus und organisierten eine eigene Ausstellung, die als "Erste Ausstellung der Redaktion „Der Blaue Reiter" in die Kunstgeschichte eingegangen ist.


In diesem Haus, auch "Russenhaus" genannt,
lebten Gabriele Münter (1877-1962)
und Wassily Kandinsky (1866-1944)
in den Sommermonaten von 1909-1914.
Hier entstanden Werke und Ideen, die
als Kunst des "Blauen Reiter" berühmt wurden.
(Auch Manfred F. Kolb, Mitglied des ELKK
verlebte in seiner Kinder- und Jugendzeit
einige Jahre im "Russenhaus")
Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges kehrte Kandinsky in seine russische Heimat zurück und hat Murnau nie wieder gesehen. In Moskau geschieden und wieder verheiratet, hielt er dies lange geheim. Kandinskys und Münters Werk wandelte sich nach dem Bruch. Erst 1931 kehrte Gabriele Münter nach Murnau zurück, mit ihrem neuen Mann, dem Kunsthistoriker Johannes Eichner. 1962 starb sie. Ihr Grab neben der Kirche, die sie oft aus ihrem Fenster heraus gemalt hatte - ist bescheiden wie ihr Heim. Ihre einmalige Sammlung hatte sie der Stadt München zu ihrem 80. Geburtstag geschenkt. Die eigenen Bilder und mehr als 80 Kandinsky-Werke machten die Münchner Städtische Galerie im Lenbachhaus auf einen Schlag weltberühmt. Dafür hat die Galerie Gabriele Münter einen Herzenswunsch erfüllt. Ihr Murnauer Refugium wurde zu einer sehr persönlichen Gedenkstätte für eine Kunst, die dem 20. Jahrhundert eine neue Richtung gab. Der Besucher dringt in die Privatsphäre der einstigen Bewohner ein. Treppe, Kommoden u.a. sind von Kandinsky bemalt. Bei der Renovierung wurde sogar ein unbekannter Münter
Schloßmuseum Murnau - Außenansicht
(c) Schloßmuseum Murnau (Bildarchiv)
entdeckt. Die Wandmalerei im Schlafzimmer Kandinskys, ein lebensgroßer Akt, war hinter
einer zugemauerten Tür verborgen. Münter und Kandinsky sammelten auch volkstümliche Objekte und ließen sich vom Murnauer Heinrich Rambold und alten Vorlagen zu eigenen Hinterglasbildern inspirieren. Nur fünf Gehminuten sind es vom Münter-Haus bis zum Schlossmuseum. Dort finden sich zahlreiche Gemälde der Künstler des Blauen Reiter, vor allem Zeichnungen und Grafiken von G. Münter aus den Jahren 1902 - 1958. Die Spur des Blauen Reiter führt weiter nach Kochel, wo das Franz Marc Museum nicht nur Werke seines Namensgebers zeigt, sondern auch von Kandinsky, Münter-Jawlensky, A. Macke und P. Klee.



Ödön von Horváth


Ödön von Horváth Anfang der 1920er Jahre
vor dem Utzschneiderhof in Murnau
(c) Schlossmuseum Murnau (Bildarchiv)
„Anfang August fuhr ich durch das bayerische Oberland und in der Nähe von Partenkirchen, dort wo die Berge beginnen, durchfuhren wir auch einen sogenannten schmucken Markt. Die Sonne schien und Sonntags wars.“ So beschrieb Ödön von Horváth seine erste Begegnung mit Murnau. Das kleine „Künstlerstädtchen“ gefiel ihm so gut, dass er 1921 hier sesshaft wurde.

Von 1924 bis 1933 hielt sich Ödön von Horváth überwiegend in Murnau auf. Hier fand er die Leute, die ihn literarisch interessierten. In den zahlreichen Wirtschaften, Biergärten und Aussichtscafés suchte er mit Vorliebe den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Dort saß er, las Zeitung, trank sein Bier, hörte den Leuten zu und machte sich Notizen. Er fand in den Zeitungen und Zeitschriften des bayerischen Oberlandes reichliches Rohmaterial. Der "Staffelsee-Bote", die Lokalszeitung von Murnau und Umgebung wurde ihm zu einer schier unerschöpflichen Quelle. Murnauer Lokalitäten, Vorkommnisse und Persönlichkeiten standen ihm Modell für seine Kleinbürgerstudien in "Zur schönen Aussicht", "Italienische Nacht" und in mehreren Prosaskizzen. Darüber hinaus entstanden hier die Volksstücke "Revolte auf  „Revolte auf Côte 3018“ (Neufassung: "Die Bergbahn", "Geschichten aus dem Wienerwald", "Kasimir und Karoline", "Glaube Liebe Hoffnung", der Roman "Der ewige Spießer" und die "Sportmärchen".
Besonders in dem Volksstück "Italienische Nach" (1930) griff Ödön von Horváth Murnauer Lokalitäten, Vorkommnisse und markante Persönlichkeiten auf und gestaltete sich nach seinen künstlerischen Vorstellungen. 

In den ersten Jahren war Ödön von Horváth, der Sohn einer angesehenen ungarischen Diplomatenfamilie, gut in das Kleinstadtleben integriert. Das Verhältnis verschlechterte sich aber mit dem aufkommenden Nationalsozialismus, da Ödön von Horváth weder in seinen Theaterstücken und Prosaskizzen noch in seinen Äußerungen in der Öffentlichkeit die Nationalsozialisten vor Kritik schonte. Ein Streit mit Murnauer SA-Leuten im Februar 1933 zwang den Schriftsteller, aus Murnau zu fliehen. Im Dezember 1933verkauften die Eltern die Villa. Für Horváth begann die unstete Zeit der Emigration. Sein Leben endete jäh: Am 1. Juni 1938 wurde er mit nur 38 Jahren auf den Champs-Elysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen.




Ergänzende Links
Stadtmuseum Murnau 
Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung

Doch am 1. Juni 1938 wurde er mit nur 38 Jahren auf den Champs-Élysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen.
Doch am 1. Juni 1938 wurde er mit nur 38 Jahren auf den Champs-Élysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen.




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